Regierung kürzt beim Elterngeld - diese Meldung hat am Dienstag in den sozialen Medien viele Menschen aufgeregt. Es geht darum, dass Familien mit einem zu versteuernden Einkommen über 150.000 Euro pro Jahr keinen Anspruch mehr auf Elterngeld haben sollen.
Dabei sind nach Berechnungen des Familienministeriums davon lediglich 60.000 Familien betroffen – allesamt Menschen, die gut situiert sind. Menschen, die deutlich mehr Geld zur Verfügung haben als der Durchschnitt.
Für die allermeisten Arbeitnehmenden sind derartig hohe Einkommen utopisch. Statistisch gesehen sorgen die sich eher um Inflation und Armut, und das sollte in der aktuellen Debatte nicht vergessen werden.
Elterngeld-Kürzung: Die Regelung für Studierende war noch nie fair
Das 2007 eingeführte Elterngeld sollte ein Instrument zur Gleichstellung der Frau sein, berufstätige Eltern sollten sich so die Erziehungsarbeit besser aufteilen können. Doch gleich war es für alle Bevölkerungsgruppen noch nie. Denn: Elterngeld bekommen nur diejenigen, die vor der Elternzeit gearbeitet und ein Einkommen erzielt haben. Studierende haben das in der Regel nicht, somit sind die meisten Studierenden mit Kind seit jeher von den bestehenden Regelungen ausgeschlossen. Ihnen steht nur der Mindestbetrag von 300 Euro monatlich für ein Jahr zu.
Auch viele Selbstständige müssen während der Elternzeit weiterarbeiten, weil es finanziell anders nicht möglich ist. Wo ist da die Empörung? Warum gibt es keine Petitionen, die gleiche Rechte auch für studierende Eltern oder Eltern in Ausbildung fordert? Stattdessen soll der Bildungsetat im kommenden Jahr um eine halbe Milliarde Euro gekürzt werden, betroffen ist vor allem das Bafög.
Bereits 2021 wurde die Elterngeldgrenze schon einmal gesenkt: Von 500.000 Euro auf 300.000 Euro für Paare, damals waren laut Angaben des Bundesfamilienministeriums 7000 Familien von den Kürzungen betroffen. Auch das hat nicht für Empörung gesorgt.
Diesmal sollen 60.000 Familien betroffen sein. Im vergangenen Jahr gab es 11,86 Millionen Familien in Deutschland. Die aktuelle Debatte dreht sich also um nur 0,5 Prozent aller Familien.

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Wie klein diese Gruppe und wie unverhältnismäßig die Empörung im Vergleich ist, zeigt auch diese Zahl: Im Jahr 2022 gab es rund 17,2 Millionen Kinder in Deutschland, für die Kindergeld gezahlt wurde. Im selben Zeitraum waren 21,6 Prozent der Kinder unter 18 von Armut betroffen.
Tendenz steigend, denn die Inflation belastet zusätzlich. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben schlechtere Zukunftschancen. Kinder, die in Armut aufwachsen, schämen sich oft dafür. Kinder, die in Armut aufwachsen, verzichten auf alltägliche Dinge wie Ausflüge mit Freunden und Familie. Kinder, die in Armut aufwachsen, verzichten im schlimmsten Fall sogar auf Essen.
Wieso haben Kinder in Armut keine Lobby?
Diese Zahlen sind schon lange bekannt. Doch einen Aufschrei oder Empörung suchte man vergeblich. Wieso nicht? Wieso haben diese Kinder keine Lobby? Wieso unterzeichnen 400.000 Menschen eine Petition gegen die Elterngeld-Kürzungen bei 60.000 Privilegierten, aber geben ihre Stimme nicht den mehreren Millionen Kindern in Armut?
Denn in dem Trara der Wohlstandselternblase geht nämlich etwas viel Wichtigeres unter: Finanzminister Christian Lindner will für die Kindergrundsicherung, einem der zentralen Projekte, das Kinderarmut bekämpfen soll, nur zwei statt geplanten zwölf Milliarden Euro ausgeben. Eine Petition, die das online anprangert, hat nicht mal 100.000 Stimmen. Wurde sich da bisher wirklich über den wahren Skandal aufgeregt?
Quellen: "Umweltbundesamt", "Statista", "Zeit Online", "Spiegel", "Bundesfamilienministerium", "Tagesschau", "Statista", "Süddeutsche Zeitung", "Statista", "Tagesspiegel"