Hass und -kriminalität haben gegenüber Transpersonen in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Das zeigt unter anderem die Bilanz der diesjährigen CSD-Saison. Bei mehr als 23 Prozent der Paraden wurden Übergriffe, Störungen und Anfeindungen gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer registriert. Beleidigungen, Schänden von Symbolen der Community, auch tätliche Angriffe und körperliche Gewalt, zählen dazu. Wie in Halle, wo mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Nacht nach den Feierlichkeiten von einer Gruppe Männer zusammengeschlagen wurden. Eine 41-jährige Frau musste danach ins Krankenhaus.
Sven Lehmann, Queer-Beauftragter der Bundesregierung sprach mit dem stern darüber, warum Queerfeindlichkeit zunimmt und wie es sich für ihn anfühlt, wenn er mit seinem Mann Händchen haltend durch die Kölner Innenstadt läuft.
Anmerkung: Sven Lehmann benutzt den Begriff "LSBTIQ*". Das dient als Abkürzung für "Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans-, intergeschlechtlicheund queere Menschen".
Herr Lehmann, ist es mittlerweile so: Wer zu einem CSD geht, muss fürchten, Anfeindungen und Gewalt zu erleben?
CSDs sind politische Demonstrationen für einen sehr guten Zweck: für Offenheit, Vielfalt, ein friedliches und solidarisches Miteinander. Umso schlimmer ist es, wenn Menschen angegriffen werden, weil sie genau für diese politischen Ziele demonstrieren. Das haben wir in diesem Jahr aber leider oft erlebt. Das macht mir Sorge.
Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Dahinter stecken politische Methoden und ein politisches Motiv. Für Menschen, die CSDs besuchen, sind das oft Orte, wo sie sich sicher zeigen und fühlen können – anders als im Alltag. Genau diese Sicherheit und Offenheit wollen Gegnerinnen und Gegner angreifen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass CSDs auch von heterosexuellen Menschen besucht werden, die sich solidarisch mit den Zielen der LSBTIQ*-Community zeigen.
Sie gehen also davon aus: Die Angriffe sind keine Einzelfälle, sondern politisch motiviert und organisiert?
Ja, dahinter steckt ganz eindeutig der politische Wille, die Sichtbarkeit von queeren Menschen zurückzudrängen und uns einzuschüchtern. Gerade im Sommer gab es massive Angriffe. In Neubrandenburg etwa wurde eine von der Stadt am Bahnhof gehisste Regenbogenflagge durch eine Hakenkreuzflagge ersetzt. Wir hatten Fälle, wo am Rande von Demonstrationen der Hitlergruß gezeigt wurde. Es gab körperliche Angriffe und im Vorfeld Einschüchterungsversuche gegenüber CSD-Vereinen. Ich ziehe meinen Hut vor den vielen Ehrenamtlichen, die sich davon nicht einschüchtern lassen.
"Queere Menschen sollten Schulterschluss mit Polizei suchen"
Was kann und sollte man dafür tun, damit Menschen vor und auf CSDs besser geschützt sind?
Ich weiß von vielen CSD-Vereinen, die eng mit der Polizei zusammenarbeiten. Da habe ich von sehr guten Erfahrungen gehört. Zum Beispiel ist in meiner Heimatstadt Köln die Polizei eng eingebunden in das ganze Veranstaltungskonzept. Auch in Münster, wo mit Malte C. letztes Jahr ein Mensch zu Tode gekommen ist, war die Polizei in diesem Jahr sehr stark präsent. Als es vom Rand aus Beschimpfungen gab, hat sie schnell eingegriffen, die Leute festgenommen oder des Platzes verwiesen.
Es ist in der queeren Geschichte nicht unbedingt selbstverständlich, mit der Polizei zusammenzuarbeiten.
Richtig. Es gibt in der queeren Bewegung und bei CSDs natürlich ein Fremdeln mit der Polizei. Denn der Christopher Street Day hat seinen Ursprung ja in einem Auflehnen gegen polizeiliche Schikanen, Übergriffe und Gewalt. So ist der CSD damals in New York überhaupt erst entstanden. Ich rate aber heute sehr dazu, den Schulterschluss zu suchen. Die Polizei hat sich verändert, hat den Anspruch, LSBTIQ* nicht zu diskriminieren und wird auch immer sensibler. Wir arbeiten eng mit den Bundesländern und Polizeiakademien zusammen, um hier mehr Aufklärung anzubieten.

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Bisher fragten sich Betroffene oft: Soll ich eine Anzeige stellen, oder ist der Prozess zu unerträglich für mich?
Das ist ein großes Problem, ja. Wir haben in Deutschland jeden Tag drei bis vier Übergriffe auf queere Menschen: bespucken, bedrohen, beleidigen. Bis hin zu agressiven körperlichen Übergriffen. Und das ist nur die Zahl der Taten, die zur Anzeige gebracht und korrekt registriert wurden. Die Dunkelziffer ist viel höher. Viele queere Menschen gehen aus Angst vor Diskriminierung nicht zur Polizei. Oder sie reden das, was ihnen passiert ist, klein. Sagen sich, naja, das war jetzt nicht so schlimm.
Weil sie die Anfeindungen gewöhnt sind?
Ja. Queere Menschen, Lesben, Schwule, transgeschlechtliche Menschen haben eine lange Tradition, Demütigungen und gegen sie gerichtete Diskriminierung auszuhalten. Sie sind es gewohnt und begreifen es dann oft nicht als strafrechtlich relevantes Problem. Mittlerweile aber ist Hasskriminalität gegen LSBTIQ* explizit als menschenverachtende Straftat im Strafgesetzbuch eingestuft. Dadurch drohen höhere Strafen. Jeder, der queere Menschen angreift, muss mit der vollen Härte des Strafrechtes rechnen.
Transpersonen als Feindbild der Rechten
In einigen Orten Deutschlands will die kommunale Verwaltung nun CSDs das Demonstrationsrecht absprechen, weil sie mehr Party seien als Demo. Damit fiele auch der Polizeischutz weg.
Einschüchterungsversuche von rechts scheinen auch auf manche kommunale Verwaltungen überzugreifen. Aber jeder dieser Versuche, eine CSD-Demonstration zu verbieten, wird vor dem Verfassungsgericht scheitern, weil wir die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit haben. CSDSs sind eindeutig politische Demonstrationen. Es gibt ein Motto, es gibt politische Forderungen und Diskussionen. Selbstverständlich wird auf CSDs auch gefeiert. Und das ist völlig in Ordnung. Gerade die queere Community hat allen Grund, stolz auf sich zu sein und das zu zelebrieren. Sie hat trotz starker Diskriminierungen viel Sichtbarkeit und Akzeptanz erreicht. Trotzdem: Dass es diese Debatte und diese Versuche überhaupt gibt, ist besorgniserregend.
Es gab auch eine Kampagne der AfD gegen Transpersonen …
Ja, zum Beispiel das furchtbare Plakat aus München. Wo die AfD Stimmung gemacht hat gegen eine Drag-Künstlerin, die auf Einladung einer Bücherei für Kinder vorlesen sollte.
Genau. Die Transperson scheint mittlerweile ein beliebtes Feindbild von Rechten zu sein.
Ja, ich beobachte das seit einigen Jahren mit sehr großer Sorge. Das ist ein internationales Phänomen. Wenn es Krisen gibt, und die haben wir ja gerade zuhauf, suchen Menschen sich oft Sündenböcke. Sie versuchen sich aufzuwerten, indem sie andere abwerten. Transgeschlechtliche Menschen stehen gerade ganz besonders im Fokus, weil sie seit ein paar Jahren sichtbarer und selbstbewusster werden. Queere Menschen insgesamt sind zu einem Sinnbild geworden für die Freiheit, selbst über das eigene Leben zu bestimmen, den eigenen Körper, die eigene Sexualität. Sie geraten deshalb ins Visier von politischen Kräften, die diese Freiheit an sich bekämpfen. Und damit den Kern von Demokratie.
Nach den Vorfällen in Halle sagten einige der Veranstalter im Gespräch mit dem stern: Wir fühlen uns heute weniger sicher als noch vor ein paar Jahren, wir spüren einen konservativen Rollback in der Gesellschaft. Spüren Sie den auch?
Die rechtliche Lage, das politische Bewusstsein, die Gesetze: Da werden wir progressiver und liberaler. Aber in der Gesellschaft selber sehe auch ich diesen Rollback. Die Zahl derjenigen, die ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben, hat zugenommen. Die Zahl derjenigen, die sagen, sie finden es ekelhaft, wenn sich zwei Männer oder zwei Frauen auf der Straße küssen, hat zugenommen. Wir haben eine verbesserte rechtliche Situation und größere Sichtbarkeit einerseits, aber zugleich nimmt die Angst in der queeren Community zu. Das muss nicht nur queere Menschen besorgen, das muss uns alle alarmieren.
Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Die Einstellungen gab es sicherlich immer, aber die Menschen trauten sich nicht, solche Haltungen auch laut zu äußern. Jetzt haben sie Gleichgesinnte gefunden, die ihnen sagen: richtig so. Es gibt mit der AfD eine queer- und menschenfeindliche Partei im Deutschen Bundestag. Es gibt bei Youtube, Instagram und TikTok Kanäle, die queerfeindliche Vorurteile und Erzählungen verbreiten. Das war vor einigen Jahren noch nicht so. Aber ob die Einstellungen selbst jemals weg waren in der Gesellschaft? Vor einigen Jahrzehnten wurde lesbischen Frauen noch das Sorgerecht entzogen. In Deutschland wurden schwule Männer inhaftiert. Die Geschichte der Emanzipation war immer ein harter Kampf und auch jetzt müssen wir offensichtlich wieder kämpfen. Unsere Errungenschaften sind nicht stabil. Leider.
Steckt hinter Queerfeindlichkeit auch die Angst vor gesellschaftlicher Veränderung?
Ich glaube, was in Lesben, Schwule und transgeschlechtliche Menschen oft hinein projiziert wird ist, dass sie erfolgreich sind, es ihnen gut geht und sie viel zu präsent in den Medien seien. Aber das sind ja nur einige wenige, die es geschafft haben. Viele LSBTIQ* hingegen berichten von psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen aufgrund der ganzen Diskriminierung gegen sie. Studien zeigen, dass queere Menschen überdurchschnittlich oft gesundheitliche oder soziale Probleme haben. Es ist also eine sehr verwundbare Gruppe. Die, die präsent sind, werden als Sinnbild genommen dafür, dass die ganze queere Community unglaublich erfolgreich sei. Aber queere Menschen sind überall in der Gesellschaft, sie sind auch arbeitslos, sie sind auch prekär beschäftigt, merken die Inflation genauso oder müssen sparen. Und dann kommt die Abwertung von außen noch hinzu.
"Aufklärung führt dazu, dass Menschen zu sich stehen"
Nimmt der Hass proportional zur größeren Sichtbarkeit zu?
Die rechtliche Situation verbessert sich, die Sichtbarkeit verbessert sich. Viele Menschen wollen sich nicht mehr verstecken. Das scheint manche zu provozieren und zu Übergriffen zu verleiten. Es ist aber selbstverständlich nicht die Verantwortung der Opfer, das zu verhindern, etwa indem sie wieder unsichtbar werden. Es ist die Verantwortung der gesamten Gesellschaft, den Tätern zu sagen: Ihr habt Unrecht. Das ist falsch. Wer queere Menschen angreift, greift die Demokratie insgesamt an.
Woher kommt überhaupt das Narrativ, queere Menschen seien für Kinder gefährlich?
Das ist eine Methode, die vor Jahrzehnten auch gegenüber Schwulen benutzt wurde. Genau dieses Motiv taucht jetzt vermehrt gegenüber transgeschlechtlichen Personen auf. Es ist eine ganz schlimme Methode der Queerfeindlichkeit und hat tiefe Wurzeln in einer rechtskonservativen, vermutlich sogar religiös-fundamentalistischen Denkweise, die das traditionelle Familienbild von Vater, Mutter, Kind über alles stellt.
Die Annahme lautet: Wenn ein Mädchen im Schulunterricht hört, dass es okay ist, wenn es sich in ein anderes Mädchen verliebt, dann tut es das auch automatisch. Aber kein Junge oder Mädchen ist schwul oder lesbisch geworden, weil darüber im Unterricht gesprochen wurde oder sie das im Fernsehen gesehen haben.
Das Einzige, was durch Aufklärung befördert wird, ist, dass die Menschen zu sich stehen können. So, wie sie sind, und egal wen sie lieben. Dass sie das als etwas Natürliches und Selbstverständliches erfahren. Nur darum geht es. Deswegen ist auch die Solidarität von Lesben und Schwulen mit transgeschlechtlichen Personen so wichtig. Wir kennen diese Anfeindungen.
Ist Transfeindlichkeit die neue Schwulenfeindlichkeit?
Auf jeden Fall ist die Akzeptanz von Lesben, Schwulen und bisexuellen Menschen in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Weil auch sehr viel mehr Menschen in ihrem Bekannten- und Freundeskreis, am Arbeitsplatz und im Sportverein Lesben, Schwule und bisexuelle Menschen kennen. Dadurch, dass transgeschlechtliche Menschen so eine kleine Gruppe und Minderheit sind, kennen viele keine transgeschlechtlichen Menschen persönlich. Viele wissen gar nicht, was transgeschlechtlich ist, dass es bedeutet, dass man sich mit einem anderen Geschlecht identifiziert und lebt als dem, das bei der Geburt zugewiesen wurde. Es geht transgeschlechtlichen Menschen ausschließlich darum, anerkannt zu werden, so wie sie sind. Um mehr nicht.
Manche Kritikerinnen und Kritiker behaupten, Queersein sei ein Trend.
Aber das geben die Zahlen nicht her. Wir haben in den letzten Jahren eine Zunahme offener Lebensweisen, aber es ist immer noch eine Minderheit. Mehr Menschen, und übrigens gar nicht nur Jugendliche, sondern auch erwachsene Menschen, trauen sich heute zu sagen: Ja, ich bin transgeschlechtlich oder ich bin nicht-binär und ich möchte den für mich korrekten Geschlechtseintrag in meinen Ausweisdokumenten.
Die Zunahme der Zahlen liegt an einem insgesamt offeneren Klima und daran, dass es heute Vorbilder gibt. Beispielsweise die Bundewehr-Kommandeurin Anastasia Bifang oder meine Kolleginnen Tessa Ganserer und Nyke Slawik im Bundestag. Das ermutigt Menschen. So, wie es vor 40 oder 50 Jahren Menschen Mut gemacht hat, dass sie in den Medien Lesben oder Schwule gesehen haben. Transsein ist kein Trend, es ist höchstens ein Trend, dass es mehr Offenheit gibt. Und das ist ein guter Trend.
"Ich kenne das Gefühl der Angst"
Sie selbst haben sich vor ungefähr 20 Jahren geoutet. Fühlen sie sich mittlerweile sicher, wenn sie offen mit ihrem Mann unterwegs sind auf der Straße?
Ich habe auch Erfahrung mit Diskriminierung gemacht. Keine körperlichen Angriffe zum Glück. Aber ich kenne das Gefühl der Angst, wenn ich meinen Mann in der Öffentlichkeit umarme, küsse, ihn an der Hand halte. Das kennen fast alle queeren Menschen. Sie passen deshalb ihr Verhalten an: Viele gehen nicht Hand in Hand mit der Partnerin oder dem Partner über die Straße oder küssen sich nicht in der U-Bahn. Statt öffentlichen Verkehrsmitteln nehmen sie das Auto oder das Fahrrad. Weil sie die Blicke fürchten, blöde Kommentare oder Beschimpfungen.
Was muss getan werden, damit die Akzeptanz von queeren Menschen in der Gesellschaft steigt?
Da muss jeder gesellschaftliche Bereich seinen Beitrag leisten. Im Sport, in Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen, in Krankenhäusern und im Gesundheitssektor. Auch in Integrations- und Sprachkursen für Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, muss Thema sein, dass zu unserem Grundgesetz gehört, dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Auch, was ihre sexuelle Identität und ihr Geschlecht angeht. Wir brauchen Aufklärung und Bildung in jedem Lebensbereich. Queere Menschen sind überall in der Gesellschaft. Deshalb ist es auch ein Querschnittsthema.
Und von politischer Seite aus?
Wir haben schon einiges erreicht: Bei der Blutspende haben wir Diskriminierung abgebaut, haben das Selbstbestimmungsgesetz in der Bundesregierung beschlossen und werden das hoffentlich dieses Jahr auch im Bundestag tun. Ich habe zwei weitere große Anliegen, die hoffentlich noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
Welche Anliegen sind das?
Zuerst das Familien- und Abstammungsrecht. Das müssen wir reformieren, damit Regenbogenfamilien gleichberechtigt rechtlich anerkannt werden. Vor allem die Diskriminierung gegenüber lesbischen Müttern müssen wir beenden: Wenn ein Kind in eine Ehe mit Mann und Frau geboren wird, ist der Ehemann automatisch der Vater. Auch wenn das Kind aus einer Samenspende gezeugt wurde. Wenn aber ein Kind in eine Ehe mit Frau und Frau geboren wird, hat es rechtlich nur eine Mutter. Die nicht-leibliche Mutter muss das Kind erst aufwändig adoptieren. Das ist eine Ungleichbehandlung, die diskriminierend ist. Das muss angeglichen werden. Viele Regenbogenfamilien warten sehnsüchtig und ungeduldig auf den Gesetzentwurf des Bundesjustizministers. Und mein zweites Ziel: Wir müssen queere Menschen in der Verfassung schützen.
Also das Grundgesetz ergänzen?
Ja. Es gibt in unserer Verfassung in Artikel 3 das Diskriminierungsverbot. Artikel 3 Absatz 3 sagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Hier wollen wir noch das Merkmal der sexuellen Identität aufnehmen. Queere Menschen sind die letzte von den Nazis verfolgte Gruppe, die im Grundgesetz noch keinen expliziten Schutzstatus hat. Wir wissen nicht, wie Regierungen in der Zukunft zusammengesetzt sind. Errungenschaften wie die Ehe für alle müssen deshalb verfassungsrechtlich abgesichert werden. Denn wir dürfen uns nichts vormachen. Die AfD hat schon Anträge gestellt, die Ehe für alle wieder abzuschaffen.
Ist es realistisch, diese Ziele noch in der aktuellen Legislaturperiode umzusetzen?
Die Hürden für eine Änderung des Grundgesetzes sind sehr hoch. Wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Die Regierungsparteien haben das fest vor, also Grüne, SPD und FDP. Auch die Linkspartei hat das in ihrem Programm, und ich weiß von vielen Kolleginnen und Kollegen aus der CDU und CSU, die das auch richtig finden. Auch immer mehr Landesregierungen. Ob wir auf zwei Drittel in beiden Parlamenten kommen, werden wir sehen. Ich hoffe es sehr.