Interview "Das kann es noch nicht gewesen sein"

Die ehemalige Schauspielerin und Ärztin Marianne Koch, 72, über Dynamik, geistige Beweglichkeit und Sexualität im Alter.

Marianne Koch war in den 50er und 60er Jahren ein Star in Deutschland: Sie spielte die Prinzessin Sophie in "Ludwig II.", mit Curd Jürgens in "Des Teufels General" und in Sergio Leones Western "Für eine Handvoll Dollar". Mit 42 Jahren verabschiedete sie sich aus der Glitzerwelt des Films, nahm 1973 ihr Medizinstudium wieder auf, wurde Internistin, arbeitete zehn Jahre im Krankenhaus und ließ sich dann mit einer eigenen Praxis nieder. Heute lebt die 73-Jährige am Starnberger See bei München, arbeitet für den Bayrischen Rundfunk und schreibt Bücher. Ihr neues heißt "Körperintelligenz. Was Sie wissen sollten, um jung zu bleiben".

Sie sehen blendend aus. Wie schafft man das mit 73?

Das liegt auch an den Genen. Meine Mutter hatte mit 92 Jahren kaum Falten. Erfolgreich altern hat aber mit ganz anderen Dingen zu tun als mit glatten Oberflächen. Natürlich muss man das Glück haben, von schlimmsten Krankheiten verschont zu bleiben. Aber man kann etwas dafür tun, jung zu bleiben.

Was denn?

Ich ernähre mich gesund. Ich esse sehr gern Gemüse, frisches Obst und Salate. Und ich gehe jeden Tag mit meinen Hunden eine Dreiviertelstunde über die Höhen am Starnberger See. Mangel an Bewegung ist einer der Gründe für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Geistige Beweglichkeit ist ebenso wichtig. Für meine wöchentliche Sendung im Bayrischen Rundfunk muss ich mich immer wieder auf neue Themen vorbereiten. Das hält jung.

Wie trainieren ältere Menschen ihr Gehirn, die nun nicht gerade auf Sendung sind?

Es geht darum, dass man nicht auf der Couch sitzt und sagt: Ich habe in meinem Leben so viel arbeiten, so viel lernen müssen, jetzt ist Schluss. Also ruhig Sprachen lernen oder auch im Internet surfen statt Fernsehen gucken. Es reicht sogar schon, wenn man versucht, die Mathe-Aufgaben der Enkel zu lösen.

Sind Ältere heute aktiver als früher?

Ja, denn Menschen mit 65 sind heute im Schnitt gesünder und leistungsfähiger als früher. Deshalb merken die Leute, wenn sie in Rente gehen, dass sie Kraft haben, und irgendwo setzt das Gefühl ein: Das kann es doch noch nicht gewesen sein.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Gibt es etwas, das ältere Menschen besser können als junge?

Ich habe mit 45 Jahren das Staatsexamen in Medizin gemacht und habe an mir selbst gemerkt, dass ich viel besser und effizienter lernen konnte als mit 20. Das liegt an der Erfahrung, die man mit sich selbst hat, und mit der Fähigkeit, Problemlösungen zu finden und Aufgaben zu strukturieren. Was bei Älteren langsamer wird, sind die Verarbeitungsprozesse im Gehirn. Aber das heißt nicht, dass nicht die besseren Lösungen rauskommen.

Gab es bei Ihnen einen Punkt, an dem Sie beim Blick in den Spiegel dachten: Oh Gott, ich werde alt?

Nein, merkwürdigerweise sehe ich das sehr gelassen. Meine Falten sind eben meine Falten, na und? Ich weiß aber, dass viele Menschen darunter leiden, älter zu werden. Deshalb legen sich einige auch unters Messer. Natürlich muss das jeder selbst entscheiden. Aber Schönheitsoperationen sind für ältere Menschen keine Lösung. Irgendwann sollte man alt genug sein, sich so zu akzeptieren, wie man ist.

Aber nicht jeder kann mit 73 noch so gut aussehen wie Sie.

Vielleicht nicht, aber es entwickelt sich doch auch eine neue Ästhetik für ältere Menschen. Denken Sie an den Film "Was das Herz begehrt". Diane Keaton ist darin offensichtlich nicht mehr taufrisch, von Jack Nicholson mal ganz abgesehen. Und trotzdem zeigen die beiden ganz schöne Bettszenen. Das finde ich gut.

In Ihrem neuen Buch sprechen Sie auch das Thema Sex im Alter an.

Ja, dieses Thema wurde in der Öffentlichkeit lange ausgespart. Dabei lassen weder die Liebe noch die Sexualität im Alter nach - oder wenig jedenfalls. Viagra hat da natürlich einiges bewirkt. Denn die Crux an der Sache ist doch die nötige Sicherheit beim Mann. Frauen konnten ja bisher nur hoffen und warten.

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Interview: Julia Bonstein