Es sei eine betuchte Familie aus einem arabischen Land gewesen, wie eine Augenzeugin berichtete. Der Mann und die Tochter in teuren Designerkleidern, die Frau im Traditionsgewand aus feinem schwarzem Zwirn. Touristen in Venedig, wie Millionen andere. Nachdem sie die Kasse unbehelligt passiert und sich im ersten Stock des Museums für venezianische Kunst des 18. Jahrhunderts umgesehen hatten, wurde die Muslimin in der oberen Etage von einem Wärter aufgehalten, die Familie musste ihren Besuch abbrechen. Der 27-jährige Museumsbedienstete, der zuvor einige Sonderseminare zum Thema Terrorismus-Gefahr absolviert hatte, berief sich dabei auf die Sicherheitsbestimmungen, wonach Besucher sich nicht verhüllen dürften.
Museumsdirektor drohte mit Kündigung
Das gelte vor allem für die Karnevalszeit, wo viele Touristen versuchten, maskiert ins Museum hereinzukommen, stellte Direktor Filippo Pedrocco später klar und entschuldigte sich für das Fehlverhalten seines Personals. Der Wärter hätte die Anwendung der Hausordnung mit gutem Menschenverstand abwägen und Respekt zeigen müssen. Nun habe er für sein Verhalten geradezustehen und werde seinen Job verlieren, kündigte er an. Daraufhin kochten in der Öffentlichkeit die Proteste hoch. Venedigs Bürgermeister Massimo Cacciari sah sich schließlich zum Eingreifen genötigt. "In den öffentlichen Museen kann jeder tragen, was er will. Hauptsache, er verbindet sich nicht die Augen", sagte er sarkastisch. Im Übrigen werde niemand entlassen.
Der Kopftuchstreit in Italien eskalierte zuletzt 2005, als sich 14 arabische Schülerinnen bei einem staatlichen Gymnasium in Mailand anmeldeten und sich nicht an die Kleiderordnung der Schule halten wollten. Ein Jahr zuvor verlor Fatima Mouyache aus demselben Grund ihren Praktikumsplatz in einem Kindergarten im norditalienischen Ort Samone. Im selben Jahr sorgte Sabrina Varroni aus Como für Furore, als sie zum Islam übergetreten war und die Burka trug.
Vor allem aus dem Regierungslager hatte der übereifrige Wärter großen Beistand bekommen. Berlusconis Staatssekretär Carlo Giovanardi sagte: "Das Gesetz ist für alle gleich, vor allem wenn es um die Sicherheit geht. Der Vorfall mag banal erscheinen, aber daran, wie ein Land mit solchen Situationen umgeht, lässt sich bemessen, ob ein Staat fähig ist, Ausländer zu integrieren oder nicht." Der Regierungsverbündete Lega Nord plädiert dafür, die Sicherheitsregeln von den Museen auf die Straßen auszuweiten und auch islamische Passantinnen etwa am Markusplatz zu kontrollieren. Der Staatssekretär im Infrastrukturministerium, Roberto Castelli, rief Lega-Parteifreund und Innenminister Roberto Maroni dazu auf, "dringend zu intervenieren, um den aufrichtigen Museums-Angestellten zu verteidigen."
Gesichtskontrolle für verschleierte Museumsbesucherinnen
Der Vorfall hatte derart die Gemüter erhitzt, dass die Direktorin der Museen von Venedig, Adriana Augusti, sich zu einer Sofortmaßnahme gedrängt sah: Sie kündigte an, dass in allen öffentlichen Museen Kabinen eingerichtet werden sollen, wo verschleierte islamische Museumsbesucherinnen sich einer Gesichtskontrolle durch weibliches Aufsichtspersonal unterziehen müssen.
Die Episode im Museum bringt den Soziologen und Grünen-Abgeordneten der Region Venetien Gianfranco Bettin zum Kopfschütteln. "In einem normalen Land würde ein solches Problem schnell mit etwas gesundem Menschenverstand gelöst. Aber in einem Land, dessen psycho-politisches Gleichgewicht ins Wanken geraten ist, wird dieser Vorfall zum Politikum."