Das letzte Jahr endete mit einem symbolischen Zweikampf: die Klimaaktivistin Greta Thunberg, 20, gegen den ehemaligen Kickboxer Andrew Tate, 36. Dieser Twitter-Showdown dürfte das Feindbild des alten weißen Mannes abgelöst haben: Der junge reiche Mann ist jetzt das antifeministische Schwergewicht. Andrew Tate, den ich vor diesem Beef nicht einmal kannte, hat erstaunliche 3,8 Millionen Follower und gehört zu den Trollen, die Twitter bis vor Kurzem gesperrt hatte, die jedoch dank Elon Musks Amnestie dort wieder ihr Unwesen treiben dürfen.
Tate postete ein protziges Bild von sich und irgendeinem teueren Wagen an der Tankstelle, er prahlte damit, wie viele Autos er habe und wie egal ihm Emissionen seien. Er bat Greta um ihre Mail, um sie präziser über seinen Fuhrpark zu informieren. Thunberg griff seine Provokation auf: "Ja, bitte erleuchte mich. Maile mir unter smalldickenergy@getalife.com." Ein K. o. wie aus dem Lehrbuch.
Schnell offenbart sich ein mittelalterliches Frauenbild
Zuerst noch fragte ich mich, weshalb Greta diesem Vollhonk Aufmerksamkeit verschaffte; schnell aber wurde mir klar, dass ich viel von ihr lernen kann: Kämpferische junge Frauen wie Greta glauben einfach nicht mehr daran, dass die Klügere nachgeben sollte. Die verspielte Lust am Verbal-Wrestling ist ansteckend. Natürlich schlugen die Fans von Tate sogleich auf Greta ein. Jake Shields, auch ein Kampfsportler, forderte die beiden auf, mit dem Twittern aufzuhören und gleich zu vögeln. Reiche junge Männer wollen den Streit sexualisieren, damit Greta möglichst schnell zum Objekt wird, über das andere Männer in den Kommentaren darunter richten werden: Will Mann überhaupt mit Greta Thunberg ins Bett? Das ultimative Machtgefühl, als wollten Frauen nichts anderes, als auch den doofsten Männern zu gefallen.

Jagoda Marinić schreibt in ihrer Kolumne über in die Welt, wie sie ihr gefällt – oder auch nicht gefällt. Sie ist Autorin verschiedener Bücher (zuletzt "Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?", "Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land") und Host des Podcasts "Freiheit Deluxe". Als Moderatorin der Literatursendung "Das Buch meines Lebens" (Arte), fragt sie bekannte Persönlichkeiten, wie das Lesen ihr Leben verändert hat. Auf Twitter und bei Instagram findet man sie unter @jagodamarinic.
Diese Art Frauenfeindlichkeit findet sich auch bei Elon Musk. Als er Trump aufforderte, zurück zu Twitter zu kommen, setzte er das Logo mit dem blauen Vogel in einer Comiczeichnung als Versuchung auf den nackten Hintern einer Frau.
Zu viele schenken Männern wie Tate Aufmerksamkeit
Andrew Tate gibt gern Interviews, in denen er jungen Männern Ratschläge erteilen will, dabei müssten wir junge Männer vor solchen Typen schützen. Gegen sie wirken alte weiße Männer fast harmlos. Bei den Alten waren es tradierte Rollen des Patriarchats, die sie gern fortgesetzt hätten, weil es ihnen Macht sichert: Frauen an den Herd, eine Steuerpolitik wie das Ehegattensplitting, damit möglichst viele Frauen ihren Männern den Rücken freihalten. Die Älteren hätten eine ehrgeizige Frau dadurch erniedrigt, dass sie ihr verweigerten, sie als Gegnerin ernst zu nehmen, so wie Angela Merkel von Kohl und seines-gleichen lange als "Mädchen" unterschätzt wurde. Merkel kam und blieb trotzdem, wie wir wissen.
In Gretas Generation ist der Kampf härter, frontaler. Viele junge Männer leben ihre Frauenverachtung offen aus. Sie hassen das, wofür junge, kluge, freie Frauen stehen, es gefährdet angeblich ihre Maskulinität. Greta hat mit "smalldickenergy" in ein Wespennest gestochen.
Das Karma schlägt zurück
Noch am Abend des gleichen Tages wurden Andrew Tate und sein Bruder in Rumänien, wo sie leben, wegen Verdachts auf Menschenhandel und Vergewaltigung festgenommen. Bilder von Andrew Tate in Handschellen gingen um die Welt – bei maximalem Scheinwerferlicht. Vielleicht lernen junge Männer so, dass solche Typen nicht ihre Vorbilder werden sollten. Als Frau jedenfalls lese ich eine klare Botschaft für die Zukunft: Das Karma ist eindeutig auf unserer Seite.