Rassismus Junge Menschen wählen leider nicht nur aus Protest rechts

Junge Alternative
Fast ein Viertel aller jungen Deutschen würde AfD wählen (Symbolbild)
© Christoph Reichwein / Picture Alliance
Die AfD ist laut einer Studie die beliebteste Partei der unter 30-Jährigen. Wenn man sich wirklich gegen einen Rechtsruck stemmen will, hilft es nicht, sich erneut hinter der Protestwähler-Theorie zu verstecken.

Die AfD ist die beliebteste Partei der unter 14- bis 29-Jährigen. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die kürzlich erschienene Studie "Jugend in Deutschland", die als zuverlässiges Stimmungsbarometer gilt. Demnach würden 22 Prozent der Menschen unter 30 ihre Stimme einer rechtspopulistischen Partei geben. Mit 20 Prozent folgt die CDU auf Platz zwei. Grüne, SPD und FDP sind in der Gunst der jungen Wählerinnen und Wähler krachend abgestürzt. 

Dass Regierungsparteien in der Mitte ihrer Legislaturperiode schlechte Umfragewerte erhalten, beobachten Politikwissenschaftler in demokratischen Staaten schon lange. Trotzdem ist der Zuwachs der AfD in den vergangenen zwei Jahren beängstigend. 2022 gaben gerade einmal neun Prozent der Menschen unter 30 Jahren an, AfD wählen zu wollen. Allen Skandalen und Demonstrationen zum Trotz konnte die Partei ihr Ergebnis seither mehr als verdoppeln. Wie kann so etwas passieren?

Die Ampel trägt nicht die alleinige Schuld

Fragt man die Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst, machen sie die hohe Inflation, die Kriege in Europa und Nahost sowie den teuren und knappen Wohnraum für ihre Entscheidung verantwortlich. Fragt man politische Beobachter und Opposition, ist vor allem die Ampelregierung schuld. Die soll mit ihren Streitigkeiten, verkorksten Tiktok-Auftritten und unsolidarischer Politik eine neue Generation an Protestwählern herangezüchtet haben. 

Sicher hätte die Ampelregierung in den vergangenen beiden Jahren mehr für die Belange von jungen Menschen tun können. Die Mieten für WG-Zimmer steigen immer weiter, die hohen Lebenshaltungskosten verschärfen die Armutsbedrohung für Studierende und Auszubildende. Beides sind Probleme, denen sich diese Regierung besser heute als morgen widmen sollte. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Ampel bereits jetzt einen großen Teil ihrer Wahlversprechen umgesetzt hat. Ist die Politik von SPD, FDP und Grünen also wirklich dafür verantwortlich, dass nun so viele junge Menschen AfD wählen wollen? Nein!

Deutschland hat ein generationenübergreifendes und strukturelles Rassismusproblem. Die Studie stellt dies erneut eindrucksvoll unter Beweis. Potenzial für rechtes und rechtsextremes Gedankengut gibt es nicht nur am Stammtisch und im Altenheim, sondern auch auf den Schulhöfen und in den sozialen Medien. 

Wer sich tatsächlich einmal auf Tiktok gewagt hat, dürfte von dieser Feststellung kaum überrascht sein. Rechtsextreme Theorien und rückwärtsgewandte Rollenbilder erreichen über Accounts wie Andrew Tate, "Hoss und Hopf" oder den AfD-Politiker Maximilian Krah Tag für Tag ein Millionenpublikum. Ihr Rassismus und Sexismus schreckt ein Großteil der jungen, meist männlichen Zuschauerschaft keineswegs ab. Rechte politische Akteure haben es längst geschafft, ihre Ideologie im digitalen politischen Diskurs zu normalisieren. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Die Daten der Studie "Jugend in Deutschland" bestätigen das rechte Gedankengut der jungen Menschen sogar. 30 Prozent der Befragten geben an, sie hätten das Gefühl, es werde sich mehr um Flüchtlinge gekümmert als um bedürftige Deutsche. Den Studienautoren zufolge lässt sich aus zurückliegenden Umfragen zwar schließen, dass junge Menschen eine große Toleranz gegenüber unterschiedlichen kulturellen, religiösen und sozialen Lebensformen besitzen. Dennoch wächst derzeit die Befürchtung, zu viele Geflüchtete könnten Konkurrenz auf dem umkämpften Wohnungsmarkt bedeuten oder den eigenen Lebensstandard bedrohen. 

Dieses Bild ist alles andere als neu. Sobald ein reales politisches Problem, wie eine hohe Inflation oder steigende Mieten, die privilegierte weiße Mehrheit erreicht, wird sich in einen nationalistischen Schutzpanzer zurückgezogen. Aus dieser Haltung argumentiert man mit der viel zu einfach gedachten Logik des Rechtspopulismus: Wenn es hart auf hart kommt, sind eben doch nicht alle gleich. Das ist kein Protest, sondern ein tief verankertes Verständnis von Überlegenheit.

Verharmlosungen werden die AfD keine Stimme kosten

Das Protestwähler-Narrativ ist eine bequeme Erzählung für die demokratischen Parteien und auch für uns Medien, um zu verklären, dass es tatsächlich Rechtsextremismus sein könnte, der die jungen Menschen anspricht. Seit nunmehr über zehn Jahren redet man sich ein, AfD-Wählerinnen und -wähler seien allesamt rückholbar, wenn man sich nur ihrer Sorgen annehmen würde. Derweil steigen die Umfragewerte für die Rechtspopulisten in allen Altersklassen kontinuierlich, egal ob CDU und SPD ihre Migrationspolitik verschärfen oder ein Finanzminister der FDP gegen Bürgergeldempfänger wettert.

Rassistisches Gedankengut unter jungen Menschen muss ernst genommen und als solches benannt werden. Nur so ist es möglich Rechtsextremismus entschieden zu bekämpfen. Es sind nämlich nicht immer nur die älteren Generationen, die erlernte und verinnerlichte Haltungen von nationalistischer Überlegenheit in sich tragen. Auch junge Menschen sind Teil des Problems und müssen ihre Sozialisierung und Verhaltensweisen hinterfragen, aufklären und demokratische Parteien wählen. Verharmlosungen und Finger-Zeigen werden die AfD keine Stimme kosten.

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