Es steht eine Menge auf dem Spiel. Im kanadischen Québec tagt in dieser Woche das Unesco-Welterbekomitee. Die Delegierten der UN-Kulturorganisation werden sich auch mit der Dresdner Waldschlößchenbrücke befassen. Geklärt werden soll, ob die sächsische Metropole den prestigeträchtigen Unesco-Welterbetitel womöglich wieder abgeben muss. Für die Bundesrepublik als Unterzeichner der Welterbekonvention geht es ums Image, um das Ansehen in der Welt. Die mit Spannung erwartete Entscheidung fällt Ende der Woche, wenn die 21 Delegierten sich mit den gefährdeten Stätten beschäftigen. Denkbar ist, dass Dresden noch eine allerletzte Frist erhält, zugleich aber ein umgehender Baustopp eingefordert wird. Möglich ist jedoch auch, dass die sächsische Landeshauptstadt den Titel sofort verliert.
Hintergrund
Die Dresdner Waldschlößchenbrücke wird nach jahrelangem politischen Gezerre und juristischen Auseinandersetzungen seit dem 19. November 2007 gebaut. Basis ist ein Stadtratsbeschluss von 1996. Der Entwurf stammt von Berliner Architekten, die 1997 den internationalen Realisierungswettbewerb gewannen. Ihre Stahlbetonkonstruktion soll mit einer Gesamtlänge von 635 Metern fast die gesamte Breite der Elbauen überspannen. Kritiker halten sie für ein "überdimensioniertes Monstrum", die Planer sehen in ihr eine moderne Interpretation der historischen Bogenbrücken Dresdens. 2010 soll die Brücke fertig sein.
Es wäre erst das zweite Mal, dass die Unesco zum äußersten Mittel greift. Erstmals wurde der Titel vor einem Jahr einer Stätte im Oman aberkannt. Der Sprecher der Deutschen Unesco-Kommission, Dietmar Offenhäußer, will sich zu möglichen Folgen für die Bundesrepublik nicht äußern. Für Dresden wäre dies jedenfalls ein Imageschaden, sagt er nur. Klar ist aber, dass es auch um den Ruf Deutschlands in der Welt als Kulturnation geht. Immer wieder hatten Vertreter des Bundes, aber auch prominente Künstler wie Günter Grass und Wim Wenders vor einem Imageschaden und einem Ansehensverlust gewarnt. Trotz massiver Intervention der Unesco war Ende 2007 mit dem Brückenbau begonnen worden, drei Jahre nach Verleihung des Titels. Etliche Bäume wurden bereits gefällt, Bauarbeiter gossen erste Fundamente. Betroffen ist eine besonders sensible Stelle im Elbtal, in Sichtweite der historischen Dresdner Altstadt. Für die Welterbehüter verschandelt die geplante vierspurige und 160 Millionen Euro teure Elbquerung eine einmalige Kulturlandschaft.
Riss geht auch durchs Berliner Kabinett
Zwar war eine Brücke in den Bewerbungsunterlagen vermerkt, allerdings an einem anderen Standort. Die Unesco fühlte sich verschaukelt und setzte das Dresdner Elbtal 2006 auf die Rote Liste. Das unter Schutz gestellte Elbtal ist insgesamt rund 20 Kilometer lang und gilt mit seinen weiten Talauen, den barocken Bauten sowie den Schlössern und Villen an den Hängen als eines der schönsten Flusstäler weltweit. Die Unesco signalisierte inzwischen, dass sie einen Tunnel mittragen würde. Eine politische Lösung ist dennoch nicht in Sicht. Im Stadtrat gibt es zwar eine Mehrheit für einen Tunnel-Kompromiss. Zudem machen sich Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände dafür stark. Allerdings scheiterten sie bislang stets am Widerstand der Stadtspitze und der CDU-dominierten Landesregierung.
Auch auf dem Gerichtsweg konnten die Kritiker den Baubeginn nur hinauszögern, aber nicht verhindern. Im Hauptsacheverfahren steht die Entscheidung allerdings noch aus. Aber nicht nur in Dresden selbst ist die Brücke heftig umstritten, der Riss geht auch quer durchs Berliner Kabinett. Während Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sogar eine finanzielle Beteiligung für einen Tunnel in Aussicht stellte, stärkte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor kurzem den Brückenbefürwortern den Rücken. Natürlich sei Dresden Weltkulturerbe, erklärte sie auf einer Wahlveranstaltung ihrer Partei in Dresden. Aber natürlich müsse Demokratie Vorrang haben, fügte sie mit Blick auf einen Bürgerentscheid aus dem Jahr 2005 hinzu. Damals hatten die Dresdner mehrheitlich pro Brücke gestimmt.