Es hatte sich bereits abgezeichnet, nun ist es offiziell: Die Aktivisten im Berliner Invalidenpark brechen die Zelte ab und beenden damit ihren Hungerstreik. Ihre Forderungen seien von der Öffentlichkeit nicht so aufgenommen worden wie erwartet. Auch die erhoffte Regierungserklärung von Kanzler Scholz ist ausgeblieben. "Daher haben wir uns entschieden, die Kampagne 'Hungern bis ihr ehrlich seid', zu beenden", heißt es in einer Mitteilung der Aktivisten.
Am 7. März war Klimaaktivist Wolfgang Metzeler-Kick als erster in den Hungerstreik getreten. In den folgenden Wochen schlossen sich ihm weitere Personen an. Vom Bundeskanzler forderten sie eine Regierungserklärung zur Dramatik der Klimakrise. Scholz sollte öffentlich bekennen, dass das CO2-Budget bereits jetzt restlos aufgebraucht ist, die Treibhausgasemissionen die Menschheit gefährden und eine radikale Klimapolitik nötig ist. Der Forderung kam Scholz nicht nach, sondern warf den Aktivisten Erpressung vor.
Vor der Europawahl hatte Metzeler-Kick verkündet, in den trockenen Hungerstreik einzutreten und sämtliche Nährstoffe und Wasser verweigern zu wollen. Das ärztliche Betreuungsteam warnte allerdings, dass der Gesundheitszustand des Aktivisten bereits lebensgefährlich sei. Metzeler-Kick beendete daraufhin seinen Protest. Öffentlich verkauften die Aktivisten die Entscheidung als Schonfrist für den Kanzler, der nun eine Woche Zeit habe, die geforderte Regierungserklärung zu liefern.
"Auf den Bundeskanzler können wir uns nicht verlassen", heißt es nun aber in der Mitteilung der Aktivisten. Enttäuscht sind sie aber auch von der Gesellschaft. Die Medien hätten zu wenig berichtet und die Forderungen falsch wiedergegeben.
"Die Gesellschaft hat wenig Anteilnahme gezeigt und der Ausgang der Europawahlen verdeutlicht, dass Klimaschutz trotz aktueller Sturmfluten und einer desaströsen Klimapolitik, wenig Bedeutung zugutekommt", heißt es in der Mitteilung. Journalisten hätten sich nur für die Protestform, die gesundheitlichen Folgen des Hungerstreiks, allerdings nie für die Fakten interessiert, kritisierte der Aktivist Wolfgang Metzeler-Kick gegenüber dem stern.
Unmut im Hungerstreik-Camp wegen psychischer Belastung
Die Aktivisten hatten wiederholt kritisiert, dass die Protestform öffentlich infrage gestellt wurde. Allerdings gab es wohl auch intern Zerwürfnisse und Diskussionen über Nutzen und Kosten des Hungerstreiks.
In einem Brief, der dem stern vorliegt, kritisiert Richard Cluse, ehemaliges Campmitglied und Mitinitiator der Kamgagne, einen "fortschreitenden Realitätsverlust vieler Beteiligter, die nicht mehr erkennen können, wann Grenzen oder Regeln missachtet werden".
"Die Situation im Camp und in der Kampagnen-Organisation fügt den dort aktiven Menschen erheblichen Schaden zu, weil Regeln, die im Klima-Aktivismus sonst Konsens sind, dauerhaft missachtet werden", schreibt er. "Aus Sorge um mich und die anderen Hungerstreikenden gehen Support-Menschen über ihre Grenzen hinaus und gefährden sich dabei noch stärker, als ich mich gefährdet habe." Die psychische Belastung sei hoch, ein Durchbruch aber nicht in Sicht. "Diese Situation kann ich unmöglich weiter verantworten."

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Seit Anfang März befanden sich acht Menschen im Hungerstreik. Einer der Aktivisten befand sich im stillen Hungerstreik. Nach der Europawahl schlossen sich zwei weitere Personen dem Protest an. Ihr Streik dauerte allerdings nur zwei Tage.