Magdeburg-Prozess Attentäter Taleb A. über Todesfahrt: "Dann habe ich einfach Gas gegeben"

Taleb A. steht vor Gericht, weil er ein Auto in die Menschenmengen auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gelenkt hat
Taleb A. steht vor Gericht, weil er ein Auto in die Menschenmengen auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gelenkt hat
© Hendrik Schmidt / DPA
Am zweiten Prozesstag zum Weihnachtsmarkt-Attentat in Magdeburg macht der Angeklagte Taleb A. eine Ankündigung und spricht – aber kaum zur Tat.

Der Todesfahrer von Magdeburg hat den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt gestanden und die Tat im Prozess beschrieben. "Dann habe ich einfach Gas gegeben", sagte Taleb A. vor dem Landgericht Magdeburg. 

Am Tag des Anschlags sei er "kalt wie Eis" gewesen. Er habe das Gefühl gehabt, "dass er etwas Schreckliches mache". "In der letzten Sekunde habe ich gesehen, dass es keine Hoffnung gibt", sagte A. Er sei davon ausgegangen, dass die Polizei ihn erschieße. 

Am zweiten Prozesstag versuchte der Angeklagte, seine Redezeit zur Selbstdarstellung zu nutzen. Dabei setzte er seine Aussage fort, ohne wirklich auf den Anschlag am 20. Dezember 2024 mit sechs Toten und über 300 Verletzten einzugehen. Die Anklage wirft dem Mann aus Saudi-Arabien unter anderem vollendeten Mord in sechs Fällen und versuchten Mord an weiteren 338 Menschen vor.

Der Vorsitzende Richter Dirk Sternberg ermahnte den 51-Jährigen zu Beginn, zum Geschehen und der Vorgeschichte auszusagen – statt in politische Äußerungen abzuschweifen. Zudem warnte er den Angeklagten davor, einen zur Verfügung gestellten Laptop während der Verhandlung zu nutzen, um politische Aufrufe zu formulieren. 

Am ersten Prozesstag hatte A. diesen hochgehalten und "Sept. 2026" war zu lesen. "Da ist die nächste politische Wahl in Sachsen-Anhalt", erklärte der Angeklagte, der als Islamkritiker bekannt ist. Am 6. September 2026 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. 

Magdeburg-Angeklagter kündigt Hungerstreik an

Unbeeindruckt zeigte sich das Gericht zunächst von der Ankündigung des Angeklagten, erneut Nahrung zu verweigern. "Sie haben es nicht in der Hand, durch Hunger- oder Durststreik die Verhandlung zu verzögern oder zu torpedieren", betonte Richter Sternberg. Da die Anklage verlesen sei und A. Gelegenheit hatte auszusagen, könne die Verhandlung auch ohne ihn fortgesetzt werden, erklärte Sternberg. 

Der Todesfahrer hatte vor Gericht erklärt: "Jetzt mache ich den Hungerstreik seit gestern. Ich will das drei Wochen machen. Man erwartet keine körperlichen Schäden."

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Am Montag hatte der 51-Jährige zugegeben, am Steuer gesessen zu haben. "Ich bin derjenige, der das Auto gefahren hat", sagte A. Weitere konkrete Angaben machte er nicht, auch von Reue war keine Rede. Stattdessen kündigte er an, sich "stundenlang, vielleicht tagelang" äußern zu wollen. 

Gutachter verfolgt Aussage

Dabei wird der Angeklagte, der selbst als Psychiater im Maßregelvollzug Bernburg psychisch erkrankte Straftäter behandelte, von einem psychiatrischen Gutachter beobachtet. Er wird an vielen Verhandlungstagen dabei sein und soll sich ein Bild von A. machen, der Gespräche mit dem Sachverständigen bislang verweigerte.

Dabei geht es vor allem um die Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt. Dem Angeklagten droht bei einer Verurteilung auch eine lebenslange Sicherungsverwahrung. 

Von Galileo Galilei, Hawking und Einstein

Teils wirren Äußerungen am ersten Prozesstag folgten bei der Fortsetzung vergleichbare Aussagen zu vermeintlichen Vertuschungsaktionen von Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften in Deutschland sowie Korruption. 

Taleb A. erwähnte Forscher wie Galileo Galilei, Stephen Hawking, Albert Einstein, schimpfte über deutsche Behörden und mangelnde Hilfe für saudische Frauen. Er habe aufklären und warnen wollen. Er habe Strafanzeigen gestellt und sei aber nicht gehört worden. Stattdessen wurde er selbst angezeigt, etwa weil er den Notruf 112 missbrauchte. 

A. hatte sehr viel Kontakt zu verschiedenen Behörden und wurde als sogenannter Vielschreiber eingestuft, wie der parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag herausgearbeitet hat.

Inmitten der oft zusammenhanglos wirkenden Aussagen sagte der 51-Jährige Sätze wie: "Hätte man uns verstanden, hätte ich niemanden getötet und niemanden verletzt". Als der Todesfahrer das Wort direkt an die Eltern eines getöteten neunjährigen Jungen richten wollte, schritt Richter Sternberg ein. 

Weniger Nebenkläger vor Ort

Betroffene, die die Verhandlung persönlich verfolgten, wirkten angespannt. Rund 180 Nebenklägerinnen und Nebenkläger sind im Verfahren vertreten. Am zweiten Tag kamen etwa 30 Menschen – weniger als zum Prozessauftakt. Die Zuschauerreihen mit 100 Plätzen waren jedoch besser gefüllt. 

Der Angeklagte wurde auch am zweiten Prozesstag mit einem Hubschrauber von der Haftanstalt Burg nach Magdeburg und dann in den temporären Gerichtssaal gebracht. Der Prozess läuft unter starken Sicherheitsvorkehrungen. Das Landgericht Magdeburg hat bislang knapp 50 Verhandlungstage bis zum 12. März 2026 geplant. 

Streit um diesjährigen Weihnachtsmarkt

Unterdessen gibt es Streit um den diesjährigen Magdeburger Weihnachtsmarkt. Oberbürgermeisterin Simone Borris (parteilos) teilte am Montagabend überraschend mit, dass es vorerst keine Genehmigung für den Weihnachtsmarkt geben werde. 

Hintergrund sei ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes, in dem es Kritik am aktuellen Sicherheitskonzept gebe. In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, werden unter anderem gravierende Mängel am Zufahrtsschutz und an der Organisation des Sicherheitspersonals genannt.

AFP · DPA
ari