Für ehemalige Gastarbeiter Die Sprache, das Essen, das Beten: Wie ein Heim die Pflege neu denkt

  • von Anna Scheld
Werden Menschen pflegebedürftig, sprechen sie oft nur noch ihre Muttersprache. In einem Duisburger Pflegeheim hat man das verstanden. Ein Besuch. 
Eine Pflegekraft spricht mit einer alten Frau im Pflegeheim in Duisburg
Çay-Tee statt Filterkaffee und die vertraute Sprache: die Pflegerin Hülya Keskin im Gespräch mit einer Bewohnerin im Atrium des Hauses am Sandberg in Duisburg
© Anne Ackermann

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Hülya Keskin wechselt öfter mal die Sprache. Gerade eben noch wünschte sie einen "Guten Morgen", und jetzt, hier, im Zimmer von Frau Cakir, sagt sie "Günaydin". Sie wäscht und wendet die alte Dame, zieht ihr frische Kleidung an. Zum Schluss fragt sie: "Tamam?" Okay? Cakir nickt, sie spricht nicht viel. Und wenn, dann nur Türkisch.

Frau Cakir kommt aus einem Dorf in Anatolien, wo im Winter der Schnee meterdick liegt und im Sommer die Hitze zwischen den Häusern steht. In Deutschland war ihr Reich die Wohnung, in der sie mit ihrem Mann und den fünf Kindern lebte. Sie ging selten vor die Tür und schließlich, nach einem Schlaganfall, gar nicht mehr. Ihre Kinder versuchten, sie zu Hause zu pflegen, sie teilten sich in Schichten auf, doch es funktionierte nicht. Alle arbeiten in Vollzeit. Deshalb ist Frau Cakir nun hier, im Haus am Sandberg in Duisburg. Und Hülya Keskin, 53, die selbst als Kind aus der Türkei kam, arbeitet als Pflegehilfskraft in diesem besonderen Heim.

Erschienen in stern 28/2024