Rauchverbot in Bayern Gesinnungslumperei à la CSU

  • von Hans Peter Schütz
Rauchverbot hin und her - das ist die Devise der bayerischen, christ-sozialen "Jenachdemer" Erwin Huber und Günther Beckstein. So stellen sie Kurt Becks Gesinnungslumperei in den Schatten und lassen innenpolitische Probleme hinter Rauchschwaden verschwinden.

Wir müssen die Christliche Soziale Union, kurz CSU genannt, umtaufen. In die PDJ, was kein Schreibfehler ist und eventuell PDS meinte. PDJ steht - nach Wilhelm Busch - für Partei der "Jenachdemer." Das schöne Wort liest sich hochdeutsch "Opportunisten". Im Bayerischen kennen Sie die noch weit griffigere Bezeichnung des Gesinnungslumpen. Will heißen: Der steht für nichts, segelt mit dem Wind, den er selbst produziert mal hierhin, mal dorthin, passt sich auf Zuruf an. In der Politik ist Gesinnungslumperei eine in der CSU sehr beliebte Beleidigung des politischen Gegners, zuletzt mehrfach zu hören aus dem CSU-Lager in Richtung des wortbrechenden SPD-Chefs Kurt Beck.

Nun müssen wir neidlos einräumen, dass die CSU sich noch weit besser versteht auf Gesinnungslumperei als die SPD. Erst beschließen die Christsozialen das strikteste Rauchverbot der Republik. Ganz hoch hängten sie die Sorge um die Gesundheit von Rauchern und Nichtrauchern als wichtigste, moralische Pflicht. Das war gut getan. Denn so hatten sie jetzt keine Mühe, unter der hoch gelegten Messlatte ihrer Anti-Raucher-Moral durchzumarschieren: Das bayerische Rauchverbot wird für den Rest des Jahres 2008 in Bier-, Wein- und Festzelten außer Kraft gesetzt, um dann am 1. Januar 2009 wieder mit der ganzen Rasiermesserschärfe der ursprünglichen Formulierung auf jene bedauernswerten Zeitgenossen niederzusausen, die einfach von der Fluppe nicht lassen können.

Politisches Kunststück ist ausbaufähig...

Einfach genial diese Lösung. Welch ein Schachzug zur Verteidigung der absoluten Mehrheit im Freistaat bei der Landtagswahl im Herbst. Da möge uns doch jetzt keiner mehr kommen und weismachen wollen, beim neuen CSU-Führungsduo Huber/Beckstein handle es sich um handlungsschwache, einfallslose Epigonen des großen Franz Josef. Die beiden machen doch mit blauem Dunst handfeste Politik, was noch nicht einmal ihrem Vorgänger Edmund Stoiber gelungen ist. Und der CSU-Fraktionschef im weißblauen Landtag, jener ausgewiesene Anti-Raucher-Politiker Georg Schmidt, steht auch nicht im ganz kurzen Hemd da, weil seine von ihm im Landtag durchgesetzte Politik ja nur bis Januar ausgesetzt wird, was die Zahl der Lungenkrebsfälle in Bayern nicht so dramatisch erhöhen dürfte, dass sie statistisch nachweisbar wird.

Dieses politische Kunststück der PDJ könnte noch erheblich ausgebaut werden. Indem man etwa an allen hohen kirchlichen Feiertagen das Rauchverbot aufhebt. Oder während des Faschings. Vielleicht auch beim Almabtrieb. Unbedingt dann, wenn der FC Bayern gegen Cottbus 0:4 hinten liegt. Womit die Möglichkeiten, einerseits ganz vorn in der Republik zu liegen und gleichzeitig auch völlig daneben, noch längst nicht ausgeschöpft sind. Voraussichtlich werden die Wiesn-Wirte alsbald fordern, die 0,5-Promille-Grenze für ausgewiesene Bierzeltbesucher im Großraum München auf 1,5 Promille zu verdreifachen. Man stelle sich nur die damit verbundene Umsatzerhöhung vor.

...und ein gutes Ablenkungsmanöver

Dieser wagemutige rauchpolitische Vorstoß hat indes darüber hinaus noch erhebliche andere Vorteile. Wo es so qualmt, lässt sich nicht mehr erkennen, wie beschi...eiden die bayerischen Eltern die derzeitige Schulpolitik finden. Auch der unsinnige Transrapid verschwindet in den Rauchwolken. Und keiner bekommt mehr mit, wohin die PDJ, äh die CSU, verkommen ist, die wir einmal für eine Partei der Grundsatztreue und des klaren Kopfes gehalten haben. Jetzt darf über sie gelacht werden. Nein: Es muss über sie gelacht werden. Verzeihung, Franz Josef, es tut uns leid, dies schreiben zu müssen. Wir verbleiben in der Hoffnung, dass Du dich nicht vor Scham im Grabe umdrehst.

Lio