Der designierte SPD-Spitzenkandidat Ulf Kämpfer gibt sich rund anderthalb Jahre vor Schleswig-Holsteins Landtagswahl angriffslustig. "Wir können die Dominanz der CDU knacken", sagte der scheidende Kieler Oberbürgermeister auf einer Konferenz der SPD-Führungsebene. Die SPD müsse dafür aber erst verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.
"Ich will ein Kämpfer für alle sein", sagte der Sozialdemokrat. Die Partei müsse für ein starkes Ergebnis bei der Landtagswahl hart ringen. "Wir können auf Augenhöhe mit der CDU kommen." Dann würden sich Machtoptionen ergeben. Er wolle nicht Juniorpartner von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) werden, sondern eine progressive Mehrheit für Schleswig-Holstein erreichen.
Bezahlbares Leben
Als politische Schwerpunkte nannte Kämpfer ein bezahlbares Leben und mehr Gerechtigkeit. "Weil so vieles im Argen liegt." Seine Partei stehe für eine Mischung aus Utopismus und pragmatischen Reformen. "Wir dürfen uns unsere Gesellschaft nicht aus den Händen gleiten lassen, weil wir mutlos oder verzagt sind." Es geht um richtig viel, es stünden keine Freundschaftsspiele an. "Wir wollen gewinnen und wir wollen an die Macht."
Derzeit gebe es eine Krise der Zuversicht, sagte Kämpfer. "Wir müssen benennen, was hier schief läuft im ganzen Land. Und das ist eine ganze Menge." Als Beispiele nannte er das Fehlen bezahlbarer Wohnungen. Schleswig-Holstein sei das Flächenland, in dem die Menschen anteilsmäßig den größten Lohnanteil für das Wohnen ausgeben. "Da bleibt nichts mehr für das Schöne." Das sei ein Skandal, der im Stillen passiere.
Die nicht öffnende Kita, weil Erziehende fehlten, sei ein Problem, sagte Kämpfer. "All das macht die Leute kirre."
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Kritik
Schwarz-Grün warf Kämpfer vor, dem kalten Strukturwandel im Krankenhausbereich tatenlos zuzuschauen. Aber eine einmal privatisierte Klinik bekomme man nicht zurück. "Und das ist eine Katastrophe."
Kritisch sieht Kämpfer auch die Wirtschaftspolitik von Ressortchef Claus Ruhe Madsen (CDU), den er als Zuversichtsonkel bezeichnete, jedoch wirklich möge. "Aber er hat noch nichts auf die Kette bekommen." Ein Tariftreuegesetz beispielsweise koste nicht mal Geld. "Und so verbohrt sind sie dort, dass sie es nicht machen." Tarifverträge dürften keine aussterbende Art werden.
Die Einigung mit den Umweltschützern beim Planfeststellungsbeschluss für den Weiterbau der Autobahn 20 bei Bad Segeberg als Erfolg zu feiern, wertet Kämpfer als Beleg für eine Verzweiflung des Regierungschefs.
"Ja, es gibt gerade einfachere Jobs, als in dieser Zeit für die SPD Verantwortung zu tragen", sagte Kämpfer. Manche meldeten sich von der Gesellschaft ab, andere würden wütend und endeten bei Hass und Hetze. "Wir müssen wieder ein Land werden, das Dinge geregelt bekommt." Günther sei vor seinem Wahlsieg 2017 auch unterschätzt worden, sagte Kämpfer. Dessen Partei will er nicht das Heimatgefühl überlassen.
Als Vorbild kann der Sozialdemokratie nach Ansicht Kämpfers die SPD-geführte Regierung in Hamburg dienen. Diese mache in der Hansestadt seit zehn Jahren gute Politik, deshalb lebten dort nun die glücklichsten Menschen und nicht mehr in Schleswig-Holstein.
Parteispitze
Landeschefin Serpil Midyatli will den Vorsitz im Februar auf einem Parteitag an Kämpfer weiterreichen. "Unser Ziel ist es, mit unserem Spitzenkandidaten das nächste Regierungsteam von morgen zu werden." Die Partei sei durch den Mitgliederentscheid mobilisiert. Das klare Ergebnis der Urwahl gebe sehr viel Rückenwind. "Heute geht es darum, die Kräfte zu bündeln". Das Land müsse bezahlbarer, gerechter werden. Daran fehle es bei der Landesregierung.
Kämpfer hatte sich am 8. November in einem Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur 2027 gegen Midyatli durchgesetzt. Für Kämpfer stimmten annähernd 80 Prozent.