Hamburgs Bürgerinnen und Bürger können am Sonntag (12. Oktober) über einen ersten staatlichen Modellversuch zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens entscheiden. Die Volksinitiative "Hamburg testet Grundeinkommen" stellt ihr Anliegen in einem Volksentscheid zur Abstimmung. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Worum geht es bei dem Volksentscheid?
Aus Sicht der Volksinitiative "Hamburg testet Grundeinkommen" wäre ein Grundeinkommen ein großer Schritt in eine gerechtere, solidarischere Gesellschaft und somit auch ein Schutz für die Demokratie. "Mit einem Grundeinkommen können sich Menschen entfalten, unabhängig von Herkunft und Kontostand." Bislang sei das nicht so. Allein in Hamburg seien 27,8 Prozent der unter 18-Jährigen von Armut bedroht, 43 Prozent der Alleinerziehenden seien armutsgefährdet - obwohl viele arbeiteten. Und hinzu komme: 40 Prozent der Arbeitsplätze seien Leiharbeit, befristet oder Minijobs.
Es ist bereits der zweite Anlauf der Initiative zur Einführung eines Modellversuchs für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Anfang 2020 hatten die Initiatoren schon einmal die notwendige Zahl von 10.000 gültigen Unterschriften zusammenbekommen. Ein anschließend geplantes Volksbegehren war jedoch im Sommer 2023 vom Hamburgischen Verfassungsgericht auf Antrag des rot-grünen Senats gestoppt worden. Die Initiatoren hatten ihren Gesetzentwurf daraufhin überarbeitet und die neue Initiative gestartet.
Was ist überhaupt ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Nach der Definition der Initiatoren ist das bedingungslose Grundeinkommen ein steuerfreier Geldbetrag, der allen Bewohnern eines Landes von Geburt an monatlich ausgezahlt wird. "Einfach so" - und unabhängig von Verpflichtungen, Bedürftigkeit, Einkommen und Vermögen. Die Idee dahinter: So hat jeder genug zum Leben und kann am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Bestehende Sozialleistungen, die den gleichen Zweck der Teilhabe erfüllen, könnten dann entfallen - etwa das Bürgergeld, die Sozialhilfe, Bafög, das Wohngeld und das Kindergeld.
Was soll konkret gemacht werden?
Die Initiatoren haben dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Demnach sollen in dem Modellversuch 2.000 repräsentativ ausgewählte Hamburgerinnen und Hamburger über drei Jahre ein Grundeinkommen erhalten. In diesem Jahr läge dies bei monatlich 1.346 Euro zuzüglich Krankenversicherung. Der Betrag steige jährlich in Höhe der Inflationsrate. Eigene Einkommen würden jedoch angerechnet. Als Faustregel gilt: "Je geringer das eigene Einkommen, desto höher fällt das ausgezahlte Grundeinkommen aus." Insgesamt 83 Prozent der Bevölkerung könnten so in unterschiedlicher Höhe vom Grundeinkommen profitieren, betonen die Initiatoren.

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Wer soll das bezahlen?
"Wenn der Modellversuch ab 2027 stattfindet, rechnen wir mit Kosten von circa 50 Millionen Euro für die Stadt Hamburg", erklären die Initiatoren. Davon seien etwa 42 Millionen Euro für die Grundeinkommenszahlungen und etwa acht Millionen Euro für die Vorbereitung und die begleitende Forschung vorgesehen. Die Kostengrenze im Gesetzentwurf beträgt 0,227 Prozent des Gesamtaufwandes des neuesten, beschlossenen Haushaltsjahres bei Inkrafttreten des Gesetzes. Das entspreche für das Kalenderjahr 2026 bei 22,4 Milliarden Euro rund 50,8 Millionen Euro.
Wieso Modellversuch?
Ziel ist es, in einem wissenschaftlichen Verfahren Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit des Grundeinkommens zu testen. "Der Hamburger Modellversuch eröffnet die Chance, zu lernen, wie ein Grundeinkommen gestaltet sein muss, um die Erwartungen - auch kommender Generationen - an einen fairen, bezahlbaren und starken Sozialstaat zu erfüllen", erklärt der emeritierte Volkswirtschaftsprofessor und Gründungsdirektor des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, Prof. Thomas Straubhaar.
Gibt es Kritik?
Ja, beispielsweise die arbeitnehmernahe Hans-Böckler-Stiftung rät von einem steuerfinanzierten Grundeinkommen ab. Unter anderem sehen deren Forscher die Gefahr eines trojanischen Pferdes, indem die Kosten als Argument für das Streichen aller Transferzahlungen einschließlich der Rente dienen könnten. Das Grundeinkommen hätte auch erhebliche Auswirkungen auf die Lohnstruktur, würde es Arbeitgeber doch vollends von der Pflicht entbinden, Existenz sichernde Löhne zu zahlen. Die Folge: Am Ende stünde ein "Super-Kombilohn mit einem hohen Staatsanteil und einem niedrigen Arbeitgeberanteil". Aus Sicht der Stiftungsforscher wäre es sinnvoller etwa die Ausbildung, Familien- oder Existenzgründung durch großzügigere Transfers zu fördern.
Was sagen die Bürgerschaftsfraktionen dazu?
Abgesehen von den Linken sind alle Fraktionen gegen das Grundeinkommen. SPD und Grüne halten das Modell für viel zu teuer, es liefere auch keinen wissenschaftlichen Mehrwert, weil es an anderer Stelle bereits Modellversuche gegeben habe. Außerdem sei das Grundeinkommen auch gar nicht bedingungslos, weil Einkommen angerechnet würden. Für die CDU stellt der Volksentscheid "ein kostspieliges, unausgereiftes Projekt zur Abstimmung, das mehr Fragen aufwirft als beantwortet". Die AfD beendet ihre Empfehlung zu einem Nein zum Grundeinkommen mit einem schlichten "Ihre Steuern - Ihre Entscheidung".
Wie läuft der Volksentscheid ab?
Sollten die Hamburgerinnen und Hamburger nicht schon von ihrem Briefwahlrecht Gebrauch gemacht haben, können sie ihr Kreuz nach Angaben des Landeswahlamts am Sonntag zwischen 8.00 und 18.00 in einem von 185 Abstimmungsstellen machen. Die Auszählung der Stimmen erfolgt noch am Abend. Der Volksentscheid gilt aus Sicht der Initiative als gewonnen, wenn zum einen mindestens ein Fünftel der rund 1,3 Millionen Abstimmungsberechtigten zustimmt und es zum anderen mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt. Schafft die Initiative das, müssen Senat und Bürgerschaft den Modellversuch umsetzen.
Es handelt sich um die erste Abstimmung, bei der die Hamburgerinnen und Hamburger über eine Sachfrage entscheiden können, seit dem gescheiterten Olympiareferendum 2015, welches aber vom Senat initiiert worden war. Die letzte Volksabstimmung, die auf eine erfolgreiche Volksinitiative zurückging, war die zum Rückkauf der Energienetze 2013.
Ursprünglich wollten die Initiatoren von "Hamburg testet Grundeinkommen" die Abstimmung zusammen mit der eigentlich für September geplanten Bundestagswahl abhalten. Doch durch das vorzeitige Aus der Ampelregierung in Berlin war die Wahl auf Februar vorgezogen worden, so dass der Volksentscheid nun ohne eine "richtige" Wahl abgehalten wird.