Kommunen ohne Geld Ortsgemeinden warnen vor finanziellem Kollaps

Einige hundert Ortsgemeinden sehen sich vor dem finanziellen Kollaps. (Symbolbild) Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Einige hundert Ortsgemeinden sehen sich vor dem finanziellen Kollaps. (Symbolbild) Foto
© Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Mehrere hundert Ortsgemeinden sehen ihre Handlungsfähigkeit wegen ihrer Finanzlage vor dem Aus. Mit einem dringenden Appell wenden sie sich an Ministerpräsident Schweitzer.

Nach dem Brandbrief von 13 deutschen Oberbürgermeistern warnen im kleinteilig strukturierten Rheinland-Pfalz auch Dörfer und Gemeinden vor dem finanziellen Kollaps. Der überparteilichen Initiative "Jetzt reden wir - Ortsgemeinden stehen auf" haben sich nach eigener Darstellung mehr als 740 Gemeinden angeschlossen. "Es werden ständig mehr. Wir wollen vierstellig werden", sagte einer der Initiatoren der Deutschen Presse-Agentur. In Rheinland-Pfalz gibt es rund 2.260 Ortsgemeinden.

Ortsgemeinden treffen Schweitzer und Ebling

Die kommunale Selbstverwaltung stehe vor dem Kollaps, heißt es in dem Schreiben, das sechs Vertreter der Initiative an diesem Montag in Mainz Ministerpräsident Alexander Schweitzer und Innenminister Michael Ebling (beide SPD) in einem Gespräch überreichen wollen. 

Als Gründe für die brenzlige Lage nennen die Gemeinden eine unzureichende Finanzausstattung, überbordende Bürokratie, eingeschränkte Planungshoheit und ein überlastetes Ehrenamt. Schweitzer wird dringend gebeten, spürbare und ernsthafte Schritte zur Verbesserung der Situation einzuleiten. 

Ortsgemeinden sehen Bund und Land in der Pflicht

Die Ortsgemeinden sehen sowohl den Bund als auch das Land in der Pflicht und setzen darauf, dass sich Schweitzer als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz für ihre Anliegen im Bund starkmacht. Es gehe beim Bund um das Konnexitätsprinzip (wer bestellt, der bezahlt). Aufgaben, die durch Bundesgesetze den Kommunen übertragen würden, müssten in vollem Umfang finanziell ausgestattet werden. 

Den von der Bundesregierung beschlossenen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab Juli 2026 nennt die Initiative als ein Beispiel. Das sei eine gute Idee und helfe Familien, aber dann müsse auch das Geld dafür bereitgestellt werden. 

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Soziale Kosten sind eine hohe Belastung

"Die Finanzierung sozialer Ausgleichsaufgaben darf nicht länger größte Last der Kommunen sein", lautet eine wesentliche Forderung der Ortsgemeinden. Da müssten Bund und Länder einspringen. Vor allem hoch belastete Sozial- und Jugendhilfeträger – Landkreise und kreisfreie Städte - müssten Anteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer erhalten.

"Die Kommunen in Rheinland-Pfalz benötigen dringend eine solide finanzielle Basis, um ihre Aufgaben eigenverantwortlich und zukunftsorientiert wahrnehmen zu können" heißt es in dem Papier. Damit sind drei zentrale Forderungen verbunden: Finanzielle Eigenständigkeit, Planungs- und Handlungshoheit zurückgewinnen sowie Entbürokratisierung und Stärkung des Ehrenamts. 

"Bürokratiemonster" muss verschwinden

Die Gemeinden erkennen die "politischen Kraftakte" der Landesregierung für die Jahre 2025 und 2026 an. Aber: "Die Administration machte hieraus leider "Bürokratiemonster"." Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung sei zielführender und führe zu Bürokratieabbau.

Die Ortsgemeinden fordern weiterhin unter anderem die "konsequente Bereitstellung von Mitteln für Bundes- und Landesstraßen". Zur Sicherung der Planungs- und Handlungshoheit solle das bewährte System der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge für Ortsstraßen beibehalten werden.

Öffentliche Ausschreibungs- und Vergabeverfahren müssten umfassend vereinfacht und die Digitalisierung forciert werden. Notwendig sei auch eine flächendeckende Aufgabenkritik und eine Überprüfung der Standards mit dem Ziel der Reduzierung. 

Schweitzer will auch einen Ausgleich vom Bund

Schweitzer hatte für den Brandbrief der Oberbürgermeister aus Mainz und zwölf anderen Landeshauptstädten an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Verständnis gezeigt und gesagt, er sei sich sicher, dass ihr Appell beim Bundeskanzler ankomme. Die Rathauschefs der Hauptstädte aller Flächenländer hatten beklagt, dass sich die Schere zwischen kommunalen Einnahmen und Ausgaben immer weiter öffne.

Der Bund müsse Mehrbelastungen der Länder und Kommunen auskömmlich ausgleichen, sagte Schweitzer. Dafür müsse die Qualität der Kostenschätzung deutlich verbessert und transparent dargelegt werden, Länder und Kommunen müssten einbezogen werden. "Wir fordern zudem, dass die tatsächlichen Kostenfolgen regelmäßig evaluiert und die Kompensationszahlungen im Lichte der Evaluationsergebnisse angepasst werden." Damit würden auch dynamische Kostensteigerungen berücksichtigt. 

Schweitzer erhofft sich bis zur Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Dezember mit Merz in Berlin Ergebnisse.

dpa