Der gesellschaftliche Umgang mit stotternden Menschen hat sich nach Einschätzung von Oliver Winter vom Landesverband Stottern & Selbsthilfe Rheinland-Pfalz/Saarland spürbar verbessert. "Es gibt mehr Bewusstsein dafür, dass Stottern eine neurobiologische Störung ist – und keine Charakterschwäche oder Nervosität", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem in Schule und Erziehung sei die Sensibilität gegenüber stotternden Kindern und Jugendlichen gestiegen.
Dennoch bleibt aus Sicht des Landesverbands viel zu tun, vor allem in Politik, Medien und am Arbeitsmarkt. "Wir wünschen uns, dass in der Berichterstattung Stottern frei von Klischees und Spott dargestellt wird", sagte Winter. Die Politik sei gefordert, gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen, etwa durch Förderung von Selbsthilfe, flächendeckende Sprachtherapie und mehr Sensibilisierung in Arbeit und Verwaltung. "Arbeitgeber sollten offen zugehen auf stotternde Bewerberinnen und Bewerber, ohne Stottern als Defizit zu werten."
Wie viele Menschen betroffen sind
Bundesweit gilt rund ein Prozent der Bevölkerung als betroffen – in Rheinland-Pfalz entspricht das etwa 41.000 Menschen, im Saarland rund 9.900. In den allermeisten Fällen beginnt das Stottern im frühen Kindesalter und bleibt oft lebenslang bestehen. Nur etwa ein bis zwei Prozent der Betroffenen entwickeln das Stottern erst im Jugend- oder Erwachsenenalter – etwa durch neurologische Erkrankungen oder psychische Belastung.
Ein häufiges Hindernis für Betroffene sind Winter zufolge gesellschaftliche Vorurteile. "Viele glauben, Stotternde seien weniger intelligent oder unsicher." Solche Fehlannahmen führten oft zu Rückzug, Isolation oder Nachteilen im Berufsleben. "Zuhören ohne zu unterbrechen – das kann schon viel bewirken."
Welche Angebote es gibt
Der Landesverband mit Sitz in Boppard bietet Selbsthilfegruppen, organisiert Seminare und kooperiert mit logopädischen Praxen und der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe (BVSS). Das Ziel: Austausch, Unterstützung und Stärkung der sprachlichen wie persönlichen Kompetenzen. Auch für Eltern, Angehörige und Fachkräfte gibt es Angebote. "Selbsthilfe bedeutet nicht, alles allein zu schaffen", betonte Winter, "sondern gemeinsam stark zu werden".