Anschlag auf Weihnachtsmarkt Abgeordnete kritisieren Umgang mit Täter-Hinweisen im LKA

Stellt sich vor ihre Kollegen: LKA-Direktorin Birgit Specht. (Archivbild) Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Stellt sich vor ihre Kollegen: LKA-Direktorin Birgit Specht. (Archivbild) Foto
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Im Untersuchungsausschuss zum Anschlag in Magdeburg steht das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt in der Kritik. Wurden Hinweise in der Behörde auf den späteren Täter richtig eingeordnet?

LKA-Direktorin Birgit Specht hat im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg parteiübergreifend Kritik auf sich gezogen. Mehrere Abgeordnete bemängelten, dass das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt die Radikalisierung des späteren Täters nicht richtig erkannte.

Es sei sehr mutig, zu sagen, im Ergebnis sei alles richtig gemacht worden, sagt SPD-Obmann Rüdiger Erben. Der Auftritt der LKA-Chefin sei insgesamt bemerkenswert gewesen, so Erben. FDP-Obmann Guido Kosmehl betonte, das LKA habe die Radikalisierung des Mannes nicht richtig erfasst. Er verwies etwa darauf, dass dieser vor dem Anschlag in einem sozialen Netzwerk ein Profilbild mit Sturmgewehr einstellte.

Direktorin: "Wir haben nicht in seinen Kopf gucken können"

Specht sagte dazu, eine konkrete Gefahr sei damals nicht erkennbar gewesen. Schließlich würden sich ja auch viele Jäger mit ihren Gewehren im Internet zeigen, sagte die LKA-Direktorin. "Wir haben nicht in seinen Kopf gucken können." Man habe keine Möglichkeit gehabt, die Todesfahrt zu verhindern. Sie habe sich oft gefragt, ob die Tat hätte verhindert werden können, so Specht. Für ihre Kollegen habe es jedoch "keinen einzigen Anhaltspunkt" gegeben, dass Taleb A. eine solch schreckliche Tat begehen würde.

Taleb al-Abdulmohsen war im Dezember 2024 mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt von Magdeburg gefahren. Sechs Menschen wurden getötet, mehr als 300 wurden zum Teil schwerst verletzt. Derzeit läuft am Landgericht Magdeburg der Prozess gegen den Mann aus Saudi-Arabien. In den vergangenen Jahren war der Arzt immer wieder mit den Behörden in Kontakt gekommen, entweder weil er selbst Anzeigen erstattet hatte oder weil gegen ihn ermittelt wurde.

22 Hinweise zum späteren Täter

Dem LKA lagen vor dem Anschlag laut der Direktorin insgesamt 22 Informationen zum späteren Täter vor. In einigen Fällen wurden Hinweise von anderen Behörden an das LKA weitergegeben, in anderen wurden die Vorfälle nicht als Straftat bewertet.

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Specht räumte auf Nachfrage ein, dass bei den verschiedenen Polizeibehörden Informationen zu dem Mann vorlagen, diese jedoch nicht zentral zusammengeführt worden seien, weil man dazu keine Notwendigkeit sah. "Jeder hat seins bearbeitet", sagte die LKA-Direktorin.

Andere Länder sind weiter

Grünen-Obmann Sebastian Striegel betonte, andere Bundesländer hätten schneller ein systematisches Bedrohungsmanagementsystem zu potenziell gefährlichen Personen installiert als Sachsen-Anhalt. Striegel bezeichnete die Darstellungen Spechts als irritierend. Ihre Äußerungen seien nicht geeignet, "unsere Zweifel am Fehlen eines Bedrohungsmanagementsystems in Sachsen-Anhalt zu zerstreuen", sagte Striegel.

CDU-Obfrau Kerstin Godenrath erklärte, die vielfältigen Schwächen und Unaufmerksamkeiten in den Ebenen der Polizei hätten mit einem etablierten Bedrohungsmanagement überwunden werden können. "Die Direktorin des Landeskriminalamtes hat die Besorgnis verstärkt, dass die polizeiliche Leistung zu positiv bewertet wurde."

Eine Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium sagte im Ausschuss, ein Früherkennungs- und Bedrohungsmanagement werde aktuell erarbeitet. Auf Nachfrage, warum Sachsen-Anhalt länger als andere Länder dafür brauche, sagte sie, Ziel sei ein bundesweit einheitliches, standardisiertes Konzept gewesen. Die Kriterien dafür seien lange nicht klar gewesen.

dpa