Notärzte rücken in Sachsen-Anhalt häufiger aus als im bundesweiten Durchschnitt. Außerdem dauere es zu lange, bis ihre Einsätze so richtig beginnen, wie Gutachter bei einer Analyse zur Optimierung der Notarztstandorte festgestellt haben. Nötig sei jetzt eine "kluge Standortplanung", Digitalisierung und der gezielte Einsatz von Notärzten und Rettungsmitteln, sagte der Vorstand der AOK Sachsen-Anhalt, Ralf Dralle. "Sachsen-Anhalt steht vor einer großen Herausforderung."
Während es im Land je 1000 Einwohner insgesamt 42,2 Notarzteinsätze pro Jahr gibt, sind es bundesweit 26,4. Zwischen dem Eingehen des Notrufs und dem Auslösen des Rettungseinsatzes vergeht nach Einschätzung der Experten zu viel Zeit. Die mittlere Dauer der Disposition liege in Sachsen-Anhalt bei rund 104 Sekunden, während es sonst 60 Sekunden im deutschsprachigen Raum seien. Die sogenannte mittlere Ausrückzeit liege über zwei Minuten. Als optimal gelten 60 bis maximal 90 Sekunden.
Krankenkassen fordern Reformen
"Bestehende Potenziale in der Rettungskette müssen gehoben werden", sagte Dralle. "Sie sind entscheidend für das Einhalten der Hilfsfrist, denn wenige Minuten können über Menschenleben entscheiden." Wissenschaftlich fundierte Standards für Abläufe und Behandlungen müssten landesweit verbindlich werden.
Die Krankenkassen hatten das Gutachten in Auftrag gegeben und drängen nun auf Reformen. Eine Option wäre eine Reduzierung der Leitstellen, um die Qualität zu steigern. In der Vergangenheit haben sich jedoch meist die Landräte gegen eine Konzentration ausgesprochen.
Telenotarzt unterstützt aus der Ferne
Nach Einschätzung von Gesundheitsexperten werden Notärzte zu oft zu Einsätzen geschickt, die Rettungssanitäter auch allein oder mit telemedizinischer Unterstützung bewältigen könnten. Dralle würdigt deshalb die Einführung des Telenotarztes. Dieser unterstützt von der Leitstelle aus nicht-ärztliches Personal wie Sanitäter bei Rettungseinsätzen, ohne selbst vor Ort zu sein.
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Der AOK-Vorstand drängt zudem auf eine bessere Vernetzung der Notrufnummer 112 mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst 116 117, um Patienten direkt zur richtigen Anlaufstelle steuern zu können.
Braucht Sachsen-Anhalt einen weiteren Hubschrauber?
Die Experten der Run Rettungswesen und Notfallmedizin GmbH haben sich für die Begutachtung außerdem die Luftrettung angesehen. Das Fazit: Sachsen-Anhalt braucht keinen weiteren Hubschrauber. Die Gutachter schlagen jedoch vor, dass der Hubschrauber im Norden des Landes auf einen Betrieb rund um die Uhr (24/7) ausgeweitet und ein neuer Standort geprüft wird.
Derzeit stehen in Sachsen-Anhalt drei Rettungshubschrauber zur Verfügung, zwei in der Nähe von Halle und einer in Magdeburg. Je ein Hubschrauber in der Landeshauptstadt und in Oppin (Saalekreis) sind im Tagesdienst eingesetzt, der Intensivhubschrauber in Oppin steht im 24/7-Betrieb zur Verfügung. Zudem kommen auch Helikopter aus angrenzenden Bundesländern zum Einsatz.
Wann ist eine Luftrettung sinnvoll?
In Bezug auf die Luftrettung empfiehlt das Gutachten, bei Transportstrecken von mehr als 30 Minuten die Luftrettung zu nutzen, da sie für die Patienten einen Zeitvorteil bringt. Der Hubschrauber im Norden des Landes soll demnach auf einen 24/7-Betrieb ausgeweitet werden, damit die Abdeckung auch in der Nacht sichergestellt werden kann. Zudem soll der Standort von Magdeburg nordwestlich in den Bereich Haldensleben (Landkreis Börde) verlegt werden, so die Empfehlung.
Für die Stationierung eines weiteren Hubschraubers im Norden von Sachsen-Anhalt sieht der Gutachter indessen keine Notwendigkeit. Im Süden des Landes besteht für die Luftrettung demnach insgesamt kein Anpassungsbedarf.