Studie zur Gleichberechtigung Geht der Feminismus zu weit? Männer der Gen Z fürchten um ihre Zukunft

#metoo-Aktivistinnen demonstrieren in Frankreich
#metoo-Aktivistinnen demonstrieren in Frankreich: Junge Männer stehen dem Feminismus kritischer gegenüber als die Frauen der Gen Z, wie Studien zeigen.
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Ist die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern schon erreicht? Frauen sagen nein, manche Männer widersprechen. Eine Studie liefert neue Erkenntnisse.

Sie ist die erste Generation, die beinahe vollständig mit sozialen Medien aufwächst. Sie fordert die Vier-Tage-Woche und wird von manchen deshalb als arbeitsfaul gescholten. Viele von ihnen haben sich dem Umwelt- und Klimaschutz verschrieben und wollen aus Liebe zum Planeten keine Kinder mehr in die Welt setzen. Sie, das sind die 16- bis 25-Jährigen, auch bekannt unter dem Namen Generation Z (Gen Z). Ihr Kreuzchen platzieren sie bei der FDP und den Grünen, den Boomern gelten sie zum Teil als woke und links(-liberal). Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine prägen die Altersgruppe genau so wie gesellschaftliche Debatten um Geschlechtergleichberechtigung und Feminismus.

Die Meinungen, die dabei durch soziale Medien und Presse geistern, spiegeln allerdings nicht unbedingt das, was die Gen Z wirklich fühlt und denkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Befragung des King's College London in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos. Dafür wurden über 3700 Briten ab 16 Jahren zur Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, Rollenbildern und Feminismus befragt.

Das Ergebnis: Zwischen den Einstellungen von Frauen und Männern klafft eine Lücke, wie sie Wissenschaftler bisher in keiner anderen Generation festgestellt haben. King's-College-Direktor Bobby Duffy spricht von einer "ungewöhnlichen Generationszugehörigkeit", denn normalerweise fühlen sich Menschen mit sozialen Normen verbunden, wenn sie mit ihnen aufwachsen. Für die Gen Z gilt dies offenbar nur noch teilweise.

Gen Z: unterschiedlichste Ansichten zur Geschlechtergleichstellung

Der Frage, ob sich das Leben als Frau in den vergangenen 20 Jahren verbessert habe, stimmten knapp 70 Prozent aller Befragten zu, ein Viertel ist zudem optimistisch, dass sich die Situation für Frauen in den kommenden zwei Jahrzehnten noch einmal verbessern werde. Männer der Gen Z stimmen solche Prognosen dabei pessimistisch: 25 Prozent von ihnen glauben, dass das Leben als Mann heute härter geworden ist und fast ein Drittel rechnet damit, dass sich der Trend in den nächsten beiden Dekaden fortsetzen wird.

Junge Männer stehen dem Feminismus deshalb auch kritischer gegenüber als die Frauen der Gen Z. Während 46 Prozent der weiblichen Befragten sagen, der Feminismus verändere die Gesellschaft positiv, teilen diese Ansicht nur 36 Prozent der gleichaltrigen Männer. 16 Prozent von ihnen sind stattdessen überzeugt, dass der Feminismus mehr schadet als nützt. Aus Sicht der Studienautoren seien diese Meinungsverschiedenheiten ein Risiko für gesellschaftliche Spaltung in der kommenden Generation. Die Ergebnisse bestätigen, was sich bereits länger abzeichnet: In einer früheren Untersuchung des Ipsos-Instituts vom März 2023 ging ein Drittel aller Männer davon aus, dass der Feminismus gesellschaftlich eher schadet. Ein Fünftel der Befragten sagte zudem, dass sie durch den Feminismus wirtschaftliche und politische Macht eingebüßt hätten.

Ähnlich sieht es beim Thema Gleichstellung aus: Insgesamt sagen 46 Prozent aller Befragten, dass die Möglichkeiten zur Gleichberechtigung kaum ausgeschöpft würden – 13 Prozent halten dagegen, dass die Möglichkeiten für Frauen zu weit gehen. Auch hier gibt es starke Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Aus Sicht der Frauen (knapp 60 Prozent) ist bei dem Thema noch jede Menge Luft nach oben. Ungefähr jeder fünfte Mann zwischen 16 und 24 sowie 39 und 50 Jahren glaubt dagegen, dass das Ziel schon längst überschritten wurde.

Sie blicken deshalb bewundernd auf Menschen wie den Ex-Kickboxer Andrew Tate, der auf der Plattform X 8,7 Millionen Follower zählt und die sozialen Medien mit chauvinistsichen und frauenfeindlichen Aussagen aufmischt. In Rumänien ist er wegen Menschenhandel, Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Frauen angeklagt. Er selbst bestreitet die Vorwürfe. Die Mehrheit der Befragten lehnt Tate und dessen Aussagen zwar ab, allerdings steigt der Anteil mit dem Alter. Von den Männern der Gen Z, die Tate aus den sozialen Medien kennen, finden über 20 Prozent seine Aussagen nicht verletzend. Fast ein Drittel teilt die Meinungen und Ansichten des Influencers.

Besonders anfällig sind laut Untersuchung ethnische Minderheiten. Um genau sagen zu können, um welche Gruppe es sich handelt, sei die Stichprobe allerdings zu klein, räumen die Wissenschaftler ein.

Forscher: Beide Seiten ernst nehmen

Wie die Meinungsunterschiede zwischen den Geschlechtern der Gen Z zustande kommen, bleibt vorerst ungeklärt. "Es gab diesen Zeitgeist, in dem jungen Frauen das Gefühl einer feministischen Identität vermittelt wurde (...) (Junge Männer) hören viel über Frauen-Power, aber verstehen an dem Punkt ihres Lebens meist nicht die Ungleichheit in der Welt, wenn man Arbeit und Kinderbetreuung meistern soll", erläutert die Direktorin des Global Institute for Women's Leadership am King's College in London. Die Haltung der Männer könne sich noch ändern, wenn sie mit der Arbeit anfingen. "Allerdings sollte man sich nicht darauf verlassen, wenn wir sehen, welche Rolle die sozialen Medien spielen."

Die Ergebnisse der Befragung aus Großbritannien decken sich allerdings mit dem, was auch andere Studien zuletzt aufzeigten: Eine Auswertung der "Financial Times" belegte jüngst, dass Frauen tendenziell liberaler, Männer hingegen konservativer werden. Besonders groß sei die Kluft in den USA, Südkorea, Deutschland und Großbritannien.

Und laut dem Survey Center on American Life wenden sich vor allem junge Männer in den USA gegen den Feminismus, weil sie sich aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert fühlen. Viele haben den Eindruck, dass der Feminismus zu einer Ideologie geworden ist, um sie zu bestrafen. Gleichzeitig zeigen Personeninterviews, dass Männer sich im Gegensatz schwertun, mit Emotionen, sozialer Isolation und psychischen Krankheiten umzugehen. Diese Herausforderung versuchen sie laut Forschung mit anti-feministischen Websiten, Social-Media-Kanälen und Podcasts zu verarbeiten. In der sogenannten "Menosphäre" würden ihre Sorgen und Ängste ernst genommen.

Unklar bleibt, wie sich die Situation für die Gen Z weiter entwickelt. Ipsos-Meinungsforscher Gideon Skinners mahnt im Hinblick auf die Studienergebnisse aus Großbritannien: "Wie wir im Rest der Forschung zum Thema Kulturkämpfe gesehen haben, ist es wichtig, solche Unterschiede nicht überzubewerten – es ist immer noch eine Minderheit junger Männer, die glauben, dass gleiche Chancen zu weit gehen."

Sein Kollege Bobby Duffy plädiert dennoch dafür, die Sorgen und Ängste beider Geschlechter ernst zu nehmen. Ansonsten "riskieren wir, dass die Leere mit Prominenten und Influencern gefüllt wird."