Chancengleichheit Fünf von sechs Studierenden nutzen kein Bafög - die meisten sind vom Geld ihrer Eltern abhängig

Studierenden an der Universität
90 Prozent der Studierenden finanzieren ihre Ausbildung zu teilen durch die Unterstützung ihrer Eltern (Symbolbild)
© Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/ / Picture Alliance
Einer Studie des Centrum für Hochschulentwicklung zufolge nutzen die allermeisten Studierenden weder Bafög noch einen Studienkredit. Stattdessen sind 90 Prozent von der Unterstützung ihrer Eltern abhängig. Diese Grafiken zeigen die Studienfinanzierung junger Menschen. 

Fünf von sechs Studierenden in Deutschland nutzen weder Bafög noch staatliche Kredite oder Stipendien. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) vom Freitag. Die aller meisten Studierenden sind von einer finanziellen Unterstützung ihrer Eltern abhängig. Neun von zehn jungen Erwachsenen kommen auf die Hilfe ihrer Familie zurück. Darüber hinaus sind mehr als zwei Drittel neben dem Studium in einem Nebenjob tätig.

Die Bedeutung der staatlichen Unterstützungsangeboten ist im Vergleich zu anderen Geldquellen sehr gering. Laut der CHE-Studie werden Bafög und Studienkredit bei weitem nicht so häufig genutzt wie die Unterstützung von Eltern, der Nebenjob oder sogar die Finanzierung aus eigenen Mitteln.

88,5 Prozent der Studierenden erhalten kein Bafög

Maximal 16,2 Prozent der Studierenden griffen 2022 auf Bafög, staatliche Kredite oder Stipendien zurück. Weil bei einigen Angeboten eine Doppelförderung möglich ist, sei von einem noch niedrigerem Anteil auszugehen. Auf Länderebene gab es große Unterschiede, was die Nutzung von staatlicher Unterstützung angeht. Schlusslicht war Thüringen, wo 12,7 Prozent die Angebote nutzten. Spitzenreiter war Sachsen mit 23,7 Prozent.

Die Grafik zeigt eindrücklich, wie die Zahl der Bafög-Empfängerinnen und -Empfänger in den letzten 20 Jahren stagniert. 2005 erhielten noch 345.000 Studierende eine monatliche Unterstützung, 2022 waren es lediglich 334.600.

Studienkredite immer wieder in der Kritik

Auch der KfW-Studienkredit erreicht immer weniger Neukunden. Der aktuell geltende Effektiv-Zinssatz von über neun Prozent und suboptimale Konditionen, wie zu geringe Förderhöhen, keine Stundung der Zinsen während des Studiums und keine Förderung von Auslandssemestern machen das Modell zunehmend unattraktiv.

 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Dies lässt sich auch deutlich in den Daten des CHEs ablesen. In den letzten 14 Jahren hat sich die Zahl der neu abgeschlossenen Studienkredite halbiert. Nach einem kurzen Hoch im Corona-Jahr 2020, wurden im letzten Jahr so wenig Studienkredite abgeschlossen wie in keinem der 15 Jahre zuvor. 

"Dass mittlerweile mindestens 84 Prozent der Studierenden in Deutschland die staatlichen Unterstützungsangebote zur Studienfinanzierung nicht nutzen können oder wollen, zeigt den dringenden Reformbedarf in diesem Bereich", erklärte Ulrich Müller vom CHE. Die Verzögerungen bei der Bafög-Reform und die hohen Zinsen beim KfW-Studienkredit sorgten weiter dafür, dass Studierende bei der Finanzierung ihres Studiums zunehmend auf sich allein gestellt seien.

Studierende sind auf Nebenjob angewiesen

Neben den Eltern sind nachweislich auch die Nebenjobs ein zentraler Eckpfeiler in der Studienfinanzierung junger Menschen. Die Grafik zeigt die Erwerbstätigenquote unter Studierenden im bundesweiten Vergleich. In den vier östlichen Bundesländern Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist sie am geringsten ist, in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin am höchsten. Hier gehen fast drei Viertel aller Studierenden einer Nebentätigkeit nach. 

Die politische Maßnahme, von junge Menschen in den vergangenen Jahren demnach am meisten profitiert hätten, sei die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde im Oktober 2022 gewesen. 

Ulrich Müller bilanziert eine klare Chancenungleichheit an den Universitäten: Wenn das System so bleibe, hänge der Studienerfolg künftig immer mehr von reichen Eltern oder einem flexiblen Studiengang mit der Möglichkeit eines Nebenjobs ab. "Beides hat mit einer chancengerechten Beteiligung an hochschulischer Bildung nicht viel zu tun", so Müller.

Quellen: CHE, mit Material der dpa