Die Zahl der Hinrichtungen weltweit hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Amnesty International verzeichnet für 2021 insgesamt mindestens 579 Hinrichtungen in 18 Staaten. Das entspricht einem Anstieg von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der bekannt gewordenen Todesurteile stieg ebenfalls – um mindestens 40 Prozent auf mindestens 2.052. Das geht aus einem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation hervor.
Der Anstieg ist demnach in erster Linie darauf zurückzuführen, dass in Iran mehr Hinrichtungen registriert wurden. Mit mindestens 314 Exekutionen im Jahr 2021 ist das ein Anstieg von 28 Prozent, hauptsächlich waren Personen betroffen, die wegen Drogendelikten hingerichtet wurden. In Saudi-Arabien hat sich die Zahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen gemäß dem Bericht ebenfalls mehr als verdoppelt (von 27 auf 65). Das "zutiefst mangelhafte Justizsystem" habe etwa den jungen Mustafa al-Darwisch zum Tode verurteilte, berichtete Amnesty. Der Angehörige der schiitischen Minderheit wurde beschuldigt, an einem gewalttätigen Protest gegen die Regierung teilgenommen zu haben. Im Juni wurde er hingerichtet – laut Amnesty nach einem "grob unfairen Gerichtsverfahren, in dem ein durch Folter erzwungenes 'Geständnis' als belastendes Material verwendet wurde".
Beim Anstieg der Hinrichtungen im vergangenen Jahr spielt auch Corona eine Rolle. Einschränkungen in Folge der Pandemie waren 2021 vollständig oder teilweise aufgehoben und alternative Abläufe eingeführt worden, weshalb in einigen Ländern eine signifikant höhere Anzahl von
Hinrichtungen festzustellen gewesen sei, etwa in Bangladesch, Indien und Pakistan.

Informationen zu Todesstrafe eingeschränkt
Die veröffentlichten Zahlen sind nicht vollständig. Wenn es um die Todesstrafe geht, bleibt einiges im Dunkeln. Wenige bis gar keine
Informationen konnte Amnesty 2021 über Staaten wie Belarus, Laos und Nordkorea erlangen. China und Vietnam haben
den Einsatz der Todesstrafe als Staatsgeheimnis eingestuft. In China vermutet die Menschenrechtsorganisation jedoch Tausende von Hinrichtungen.
Neben der Zunahme an Exekutionen ist eine weitere Entwicklung zu beobachten: Trotz der Zunahme bleibt die Zahl für 2021 auf einem historischen Tiefstand und stellt die zweitniedrigste Zahl an weltweiten Hinrichtungen dar, die die Organisation seit mindestens 2010 verzeichnet hat. Zudem lag laut Bericht zum zweiten Mal hintereinander die Zahl der Länder, von denen bekannt ist, dass sie Todesurteile vollstreckt haben,
bei 18. "Das ist die niedrigste Zahl, die Amnesty International jemals verzeichnet hat und bestätigt erneut, dass es eine isolierte Minderheit von Staaten ist, die sich dafür entscheidet, immer noch Hinrichtungen durchzuführen", heißt es weiter.
Als "wichtigen Meilenstein im Jahr 2021" bezeichnet Amnesty eine Abstimmung im Parlament von Sierra Leone. Dabei wurde ein Gesetzentwurf verabschiedet, der – sobald er in Kraft tritt – die
Todesstrafe vollständig abschaffen wird. Papua-Neuguinea und Kasachstan verabschiedeten ähnliche Gesetze.
Große Mehrheit der Länder kennt keine Todesstrafe
In 144 Ländern – mehr als zwei Drittel aller Staaten – ist die Todesstrafe mittlerweile in Gesetz oder Praxis außer Vollzug gesetzt. Der US-Bundesstaat Virginia schaffte dem Bericht zufolge als 23. Staat – und als erster Südstaat – die Todesstrafe ab. Zudem gab die US-Regierung im Juli bekannt, bis auf Weiteres alle Hinrichtungen auf Bundesebene auszusetzen. 2021 war daher seit 1988 das Jahr mit den wenigsten Exekutionen in den USA. Weltweit saßen Ende 2021 noch mindestens 28.670 zum Tode verurteilte Menschen weltweit in Todeszellen.
Das letzte Mahl: Diese Gerichte wünschten sich Straftäter vor ihrer Hinrichtung

"Eine Welt ohne staatliches Töten ist nicht nur vorstellbar, sondern möglich – das zeigt die positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte", sagte der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation in Deutschland, Markus N. Beeko. Gründe gegen die Todesstrafe gibt es viele. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat die Hauptkritik zusammengefasst: Oftmals wird die abschreckende Wirkung hervorgehoben, doch dieser Effekt konnte bislang nicht nachgewiesen werden. In Ländern, die die Todesstrafe abgeschafft haben, ist die Mordrate wiederum nicht angestiegen. Zum Tode Verurteilten wird zudem die Möglichkeit der Resozialisierung genommen. Ein weiteres Problem: Jemand muss die Hinrichtungen durchführen. Der EU gilt die Todesstrafe als "grausame, unmenschliche und entwürdigende Strafe".
Ein Mann aus Österreich pflegt eine Brieffreundschaft mit einem US-Häftling im Todestrakt. Wie die beiden zu engen Freunden wurden, hat Walter Ungerböck dem stern erzählt.
Quellen: Amnesty International, bpb.de, "Tagesspiegel", mit Material der dpa