Kleinstädter in der Großstadt fallen vor allem durch eines auf: durch schlechtes Autofahren. Das ist jedenfalls die gängige Meinung der Großstädter, wenn sie die Provinzler anhand ihrer Autokennzeichen identifizieren. Schnell sind wüste Beschimpfungen zur Hand: "Achtung, ein Provinz-Idiot!" oder "Vorsicht, wilder Landwirt!". Kein Zweifel: Pinneberger (PI) und Winsener (WL) haben in Hamburg ihren Ruf weg.
Auch in anderen Großstädten sind die Auswärtigen verrufen: BM (Bergheim) steht in Köln für "Bauern-Metropole", STA (Starnberg) in München für "Scheiße, totaler Anfänger", und Magdeburg - auch nicht gerade eine Weltstadt - verhöhnt die Fahrer mit Kennzeichen OK (Ohrekreis) als "Ochsenköpfe".
Rein statistisch stimmt das Vorurteil nicht, dass Autofahrer aus ländlichen Gegenden schlechter hinter dem Steuer agieren als Großstädter. Ganz im Gegenteil: Die Polizei registriert wesentlich mehr Unfälle in den urbanen Gebieten als in der Provinz. Die Großstädter meinen auch zu wissen, warum: Auf ihren Straßen sind zu viele Landeier unterwegs …
Doch dieser Meinung widersprechen Verkehrspolizisten und Abschleppdienste: Ihre "Hauptkunden" sind wie zu erwarten die Ortsansässigen. Eine stern TV-Umfrage auf der Straße ergab, dass dennoch viele Hamburger und Kölner fest davon überzeugt sind, sie seien die besseren Fahrer.
Laut Psychologen hat das Pflegen der Vorurteile allerdings eine wichtige Funktion: Aggressionen, die der Straßenverkehr verursacht, können über die Beschimpfungen kanalisiert werden. So gesehen erfüllen auswärtige Autokennzeichen einen guten Zweck: als therapeutische Maßnahme für gestresste Fahrer.