Verseuchte Spritzen sind in Ländern mit mangelnder medizinischer Hygiene nach Expertenansicht ein stark unterschätztes Aids-Risiko: Je nach Land gingen bis knapp zur Hälfte aller HIV- Neuinfektionen auf dieses Konto und damit mehr als durch ungeschützten Sex, warnt der US-Forscher David Gisselquist nach einer Neuauswertung diverser Studien im Fachmagazin "New Scientist" (Nr. 2424, S. 8). Das Aids-Bekämpfungsprogramm der Vereinten Nationen, UNAIDS, habe im Mai 2003 Zahlen von 12 bis 33 Prozent ermittelt, dann aber nicht veröffentlicht. UNAIDS gab dem Artikel zufolge an, dass die Zahlen in eine größere Studie eingeflossen seien - nach einem anderen Umrechnungsschlüssel läge die Quote jedoch bei nur mehr 2,5 Prozent.
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Reportage "To live is better than to die":
www.toliveisbetter.com
Problem der vermutzten Spritzen wurde heruntergespielt
Manche Forscher vermuten sogar eine gezielte Zurückhaltung bei Weltgesundheitsorganisation WHO und UNAIDS, damit Safer-Sex- und Impfprogramme nicht unterminiert würden. Gisselquist kritisiert jedoch ebenso wie im Februar bereits Wissenschaftler der britischen Royal Society of Medicine, dass das Problem der verschmutzten Spritzen heruntergespielt werde. Mit einfachen Hygienemaßnahmen könne das Leben zahlreicher Menschen gerettet werden. "Wenn wir diese Nachricht nicht vermitteln können, dann droht die Epidemie in Asien riesengroß zu werden", sagte Gisselquist dem "New Scientist". In Teilen Süd-Ost-Asiens würden selbst laut WHO 75 Prozent aller Injektionen mit nicht sterilen Spritzen durchgeführt.
Ein erschütterndes Beispiel dafür liefert die Reportage "To live is better than to die" (Zu leben ist besser als zu sterben) des Filmemachers Weijun Chen, die zum Welt-Aids-Tag auf Arte ausgestrahlt wurde und derzeit auch im Kino zu sehen ist: Sie beschreibt das Leben und Sterben einer fünfköpfigen Familie in einem Dorf der zentralchinesischen Provinz Henan. Dort und in sechs umliegenden Provinzen hatten sich in den 90er Jahren schätzungsweise 370 000 Menschen durch mangelhafte Hygiene beim Blutspenden mit HIV angesteckt.