Ich habe sieben Jahre gebraucht, um mich aus einer Phase ständig steigender Ansprüche im Arbeitsalltag herauszukämpfen. Auf meinem Weg liegen zwei Psychotherapien, ein Glücksseminar und schließlich im vergangenen Herbst ein fünftägiger Intensivkurs "Persönliches Stressmanagement", der vielleicht der entscheidendste Schritt war. Aber ohne die Erfahrungen zuvor hätte er mir wohl nicht so viel gebracht. Denn offenbar gehört es zu meinem Naturell, mich über jede gesunde Grenze hinweg für die Arbeit zu verausgaben, wie ich mittlerweile weiß. Und gelernt habe ich auch, dass man dagegen etwas tun kann – und muss.
Bis zum vergangenen Sommer arbeitete ich für einen Versicherungskonzern, der schnell wuchs, und im gleichen Maße wuchs mein Arbeitspensum. Vor sieben Jahren schon schlitterte ich ein erstes Mal haarscharf an einem Burnout vorbei. Wir sollten eine neue Bestandsführungssoftware installieren, ein Projekt, dass wir anfangs unterschätzten. Die Deadline war knapp. Über mehrere Monate hinweg arbeitete ich oft 60 bis 70 Stunden die Woche, oft auch die Wochenenden durch. Ich entspannte mich nie, trieb keinen Sport mehr, ernährte mich von Fastfood und Süßigkeiten, nahm knapp 20 Kilogramm zu. Nachts lag ich stundenlang wach, habe im Kopf To-do-Listen abgearbeitet und gedacht, ich schaffe das alles nicht mehr. Diese Kombination war ein Pulverfass, das Anfang 2017 entzündet worden ist und dann explodierte. Auf einen Schlag hatte ich keine Energie und Kraft mehr.
Früher war ich nicht in der Lage, über meine Gefühle zu sprechen
Ich suchte einen Psychotherapeuten auf. Der wollte mich gleich für länger krankschreiben, aber dagegen wehrte ich mich, es hätte sich wie "Aufgeben" angefühlt. Also habe ich weiterhin meine Fassade aufrecht erhalten und meinen Kollegen und den Geschäftsführern zu vermitteln versucht: Wir schaffen das.