Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 haben zu viel Zucker im Blut - mal mehr, mal weniger. Der Wert schwankt ständig: Nach dem Essen steigt er zum Beispiel steil an, beim Sport sinkt er rapide ab. Zuckerkranke messen daher ihren Blutzucker oder Harnzucker, um zu kontrollieren, ob in ihren Adern auch alles in Ordnung ist.
Der Arzt braucht jedoch nicht nur den aktuellen, sondern auch den Durchschnittswert der zurückliegenden Wochen. So kann er den Verlauf der Krankheit genau beobachten und entscheiden, ob die Behandlung richtig ist. Dafür greift er auf eine Substanz zurück, die Auskunft über die Vergangenheit geben kann: den roten Blutfarbstoff.
Blutfarbstoff mit Zuckerhaube
Der Stoff, der das Blut rot färbt, heißt Hämoglobin. Es transportiert Sauerstoff in die Körperzellen. Dieses Hämoglobin ist attraktiv für Zuckermoleküle, sie lagern sich bei ihrer Reise durch den Blutstrom gerne an ihm ab. Mit der Zeit bekommt das Hämoglobin sozusagen einen Zuckerguss: Aus dem Sauerstoff-Transporteur und der Glukose entsteht ein sogenanntes glykiertes Hämoglobin, kurz: HbA1c.
Normalerweise löst sich das Zuckerhäubchen wieder vom Hämoglobin, sobald der Zuckergehalt im Blut sinkt. Bei Menschen mit Diabetes ist die Zuckerkonzentration jedoch andauernd zu hoch. Dann wird die Verbindung zwischen der Glukose und dem Hämoglobin fester. Irgendwann setzt sich die Zuckerkappe regelrecht fest. Erst nach vier Monaten verschwindet dieses glykierte Hämoglobin wieder aus dem Körper, weil der Organismus den Blutfarbstoff nach dieser Zeit abbaut und ihn durch einen neuen ersetzt.
Ein Laborautomat ermittelt den HbA1c-Wert
Wie viel glykiertes Hämoglobin im Blut enthalten ist, kann der Arzt messen. Bei einem gesunden Menschen sind vier bis sechs Prozent der Blutfarbstoff-Moleküle von Zuckermolekülen belagert. Liegt der HbA1c-Wert darüber, ist der prozentuale Anteil entsprechend höher. Je höher wiederum der HbA1c-Wert, desto schlechter war der Blutzucker in den vergangenen Wochen eingestellt – und desto höher ist auch das Risiko für Nierenversagen, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder auch Nerven- und Augenschäden.
Für die Untersuchung wird etwas Blut abgenommen. Anschließend untersucht ein Laborautomat die Probe und wirft am Ende den HbA1c-Wert aus. Die Ergebnisse können jedoch unterschiedlich ausfallen, je nach angewendeter Methode und Labor. Um verschiedene Messverfahren miteinander vergleichen zu können, sollte Ihr Arzt darauf achten, die Analysen stets von demselben Institut liefern zu lassen. Und er sollte den Normbereich kennen - also die Werte, die Gesunde bei dieser Messmethode haben.
Im Jahr 2010 haben sich Ärzte weltweit auf die internationale Maßeinheit Millimol pro Mol für den HbA1c-Wert geeinigt. In einer Übergangsphase dürfen beide Maßeinheiten, die alte und die neue, verwendet werden.
Wenn Ihr HbA1c-Wert zwischen 6,5 und 7,5 Prozent (48 bis 58 Millimol pro Mol) liegt, ist die Behandlung optimal. Bei älteren Menschen sind gelegentlich auch Werte bis 8,0 Prozent (64 Millimol pro Mol) akzeptabel. Allerdings sollten die Messergebnisse nie ständig über 8,0 liegen.
Einen HbA1c-Wert, der für alle Zuckerkranke gleichermaßen gut ist, gibt es allerdings nicht. Eine große Studie aus den USA zeigt: Es kann sogar gefährlich werden für Menschen mit Diabetes vom Typ 2, wenn sie ihren HbA1c-Wert drastisch senken, sofern sie auf eine lange Krankengeschichte zurückblicken können und ein hohes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall haben. Ein sehr niedriger HbA1c-Wert wiederum ist bei einigen Zuckerkranken häufig mit Unterzuckerung verbunden.
Akzeptablen Wert festlegen
Legen Sie daher zusammen mit Ihrem Arzt fest, welcher Wert für Sie akzeptabel ist und wie Sie ihn erreichen können. Wie gut Sie Ihre Behandlung im Griff haben, können Sie alle drei Monate testen lassen. Am besten tragen Sie den HbA1c-Wert in Ihr Diabetes-Tagebuch ein. So haben Sie selbst einen Überblick, ob sich Ihre Krankheit verschlechtert oder verbessert.
Wenn Ihr HbA1c-Wert immer wieder zu hoch ist, haben Sie Ihr Essen vielleicht nicht auf Ihre Diabetes-Medikamente abgestimmt. Oder Sie spritzen immer wieder zu wenig Insulin. Möglicherweise muss Ihr Arzt die Behandlung auch überdenken.
Selten verfälschen andere Krankheiten den Wert, dennoch kann es vorkommen. Wenn die Nieren nicht mehr richtig arbeiten, sinkt der HbA1c-Wert fälschlicherweise. Auch bei Blutmangel sinkt der Wert. Wenn Sie viel Blut verloren haben oder wenn Ihre roten Blutkörperchen zerstört sind, ist entsprechend weniger Hämoglobin und somit auch weniger glykiertes Hämoglobin im Blut zu finden.