Millionen von Menschen haben zu süßes Blut: Sie leiden an Diabetes. Das bedeutet, dass ihr Körper kein Insulin mehr produziert oder nicht mehr auf das Hormon reagiert. Das hat schwerwiegende Folgen. Denn normalerweise transportiert Insulin den Zucker aus der Nahrung in die Zellen, wo er sofort in Energie verwandelt wird. Bleibt das aus, kann der dauerhaft erhöhte Blutzuckerwert langfristig Adern, Nerven und Nieren zerstören.
Fachleute unterscheiden zwischen mehr als einem halben Dutzend verschiedener Varianten der Stoffwechselerkrankung, die unterschiedliche Ursachen haben. Am häufigsten kommen jedoch Diabetes Typ 1 und Diabetes Typ 2 vor, die im Folgenden vorgestellt werden. Auch der Schwangerschaftsdiabetes ist berücksichtigt.
Diabetes Typ 1
Wenn der Körper sich selbst bekämpft
Wie wichtig das Insulin ist, zeigt sich vor allem dann, wenn es fehlt. Genau das ist bei Menschen mit Typ-1-Diabetes der Fall. Ihre Bauchspeicheldrüse kann das Hormon nicht mehr herstellen, weil die entsprechenden Zellen, die dafür zuständig sind, die Beta-Zellen, fast vollständig zerstört sind. Die Folge: Der Blutzucker steigt auf einen lebensgefährlichen Wert.
Verantwortlich für das Massensterben der Beta-Zellen ist das Immunsystem von Menschen mit Diabetes Typ 1. Die körpereigene Abwehr erkennt die Beta-Zellen nicht als Teil des Körpers an, sondern stuft sie als schädliche Eindringlinge ein und zerstört die vermeintlichen Schädlinge. Eine solch fehlgeleitete Körperabwehr zeigt sich häufig schon in der Kindheit oder im Jugendalter. Diabetes Typ 1 nennen Ärzte daher auch "jugendlichen Diabetes". Er kann jedoch in jedem Lebensalter auftreten.
Masern-Viren könnten die Auslöser sein
Einige Menschen mit Diabetes Typ 1 tragen eine genetische Veranlagung für die Erkrankung in sich, die sie auch vererben können. Damit sie jedoch ausbricht oder weiter voranschreitet, bedarf es wahrscheinlich eines zusätzlichen Auslösers.
Einige Wissenschaftler vermuten, dass eine Virusinfektion das Immunsystem so fehlleiten kann, dass es nicht mehr zwischen eigenen Zellen und Eindringlingen unterscheiden kann. Zu den verdächtigen Keimen zählen Masern-, Mumps- und Röteln-Viren. Auch die sogenannten Coxsackie-Viren stehen im Verdacht, die Körperabwehr manipulieren zu können. Diese Erreger verursachen meistens Erkältungen, können aber auch Hirnhaut- und Herzmuskelentzündungen hervorrufen.
Diabetes Typ 2
Insulin funktioniert wie ein Türöffner: Das Hormon sorgt dafür, dass die Körperzellen den Zucker aus dem Blut aufnehmen können. Menschen mit Diabetes Typ 2 brauchen jedoch im Laufe der Jahre immer mehr Insulin, um den Zucker in die Zellen zu bekommen, weil ihre Zellen mit der Zeit unempfindlicher für das Hormon werden - bis sie gar nicht mehr darauf reagieren. Einige Forscher vermuten, dass die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse der dauernden Überanstrengung irgendwann nicht mehr standhalten und in der Folge weniger oder gar kein Insulin mehr produzieren. Um im Bild zu bleiben: Die Zelltür bleibt dann verschlossen. 90 Prozent aller Zuckerkranken leiden an dieser Form des Diabetes.
Fastfood und Ärger lassen Zellen abstumpfen
Wenn die Zellen nicht mehr auf Insulin reagieren, hat das meist zwei Ursachen. Zum einen spielt bei Diabetes Typ 2 die Vererbung eine große Rolle. Ist ein Elternteil erkrankt, liegt das Risiko für das Kind, ebenfalls zu erkranken, bei etwa 40 Prozent. Haben Mutter und Vater beide Diabetes Typ 2, erhöht sich das Risiko für das Kind auf 80 Prozent. Eltern vererben aber nicht nur ein Diabetesgen. Wissenschaftler konnten in den vergangenen Jahren verschiedene Stoffwechselgene identifizieren, die an der Entstehung von Diabetes Typ 2 beteiligt sind.
Daneben kann auch ein ungesunder Lebensstil diese Erkrankung begünstigen. Die Hauptrisiken sind:
- Übergewicht, insbesondere das Bauchfett: Männer mit einem Taillenumfang von mehr als 102 Zentimetern haben ein dreieinhalb Mal so hohes Risiko, zuckerkrank zu werden, als Männer mit normalem Taillenumfang.
- Zu wenig Bewegung: Wer viel sitzt, nimmt schneller zu. Und Übergewicht begünstigt Diabetes Typ 2.
- Zigaretten: Raucher haben ein doppelt so hohes Risiko, zuckerkrank zu werden, als Nichtraucher.
- Schlechte Nachruhe: Schlafstörungen, Schnarchen oder Atemaussetzer während des Schlafs erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Diabetes Typ 2 zu bekommen. Denn wenn der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört ist, schüttet der Körper Stresshormone aus. Solche Botenstoffe lassen Körperzellen schnell unsensibel für Insulin werden.
Eine weitere Erklärung für die Entstehung von Diabetes Typ 2 hat der Lübecker Forscher Achim Peters. Er vermutet, dass Stress, Frust oder Trauer ebenfalls zuckerkrank machen können. Seelische Belastungen können den Stoffwechsel im Gehirn durcheinander bringen und zu Übergewicht und Diabetes führen. Diese Theorie ist noch nicht bewiesen, würde aber einige schlechte Angewohnheiten erklären.
Schwangerschaftsdiabetes
Es beginnt, wenn der Bauch anfängt, dick zu werden, und es endet meist, wenn das Baby da ist: Drei bis sieben Prozent aller Schwangeren in Mitteleuropa entwickeln aufgrund eines veränderten Stoffwechsels einen Schwangerschaftsdiabetes.
Auslöser dieser Diabetesform sind vermutlich Hormone, die während der Schwangerschaft in besonders hohen Mengen produziert werden. Dazu zählen die weiblichen Hormone Östrogen, Gestagen und das so genannte Plazenta-Laktogen.
Außerdem haben manche Frauen während der Schwangerschaft oft Heißhunger, so dass sie besonders viel Süßes zu sich nehmen. Um die großen Mengen an Zucker zu bewältigen, schüttet die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin aus. Bei einigen Frauen kommt das Organ mit der Produktion nicht mehr hinterher, bei anderen reagieren die Zellen nicht mehr auf das Hormon. Die Folge in beiden Fällen: Der Blutzuckerwert schießt in die Höhe.
Das Risiko, Schwangerschaftsdiabetes zu bekommen, steigt bei Frauen, die übergewichtig sind, in deren Familie bereits Diabetes aufgetreten ist, die häufiger Fehlgeburten hatten und die bei der Entbindung älter als 30 Jahre sind. Es erhöht sich auch, wenn die Frauen bereits ein Baby mit mehr als vier Kilo Geburtsgewicht bekommen haben oder wenn sie schon in einer früheren Schwangerschaft zu hohe Blutzuckerwerte hatten.
Meist normalisiert sich nach der Geburt alles wieder: Der Blutzuckerspiegel sinkt, die Symptome verschwinden. Doch etwa die Hälfte aller Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes erkrankt im Laufe des weiteren Lebens an Diabetes Typ 2, oder seltener an Diabetes Typ 1.
Weitere Ursachen für Diabetes
Es gibt rund ein Dutzend verschiedener Formen der Zuckerkrankheit. Verglichen mit Diabetes Typ 1, Typ 2 und Schwangerschaftsdiabetes treten die anderen Formen aber sehr selten auf. Einige werden vererbt, andere entstehen aufgrund von Entzündungen oder Tumoren.
Bei einer Form etwa leiden Betroffene an einem bestimmten genetischen Fehler in den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Dadurch produzieren sie zu wenig Insulin. Sind andere Erbgut-Schnipsel beschädigt, gibt es zwar genügend Insulin, aber das Hormon verfehlt seine Wirkung, weil die Zellen nicht auf den Botenstoff reagieren. Auch so kann eine Zuckerkrankheit entstehen.
Ist die Bauchspeicheldrüse über längere Zeit entzündet oder wächst darin ein Tumor, kann die Insulinquelle ebenfalls versiegen. Und wenn die Insulin produzierenden Beta-Zellen ohnehin schon angeschlagen sind, können manche Medikamente das noch verschlimmern: Dann wird aus einem schwachen Insulinhaushalt eine echte Mangelwirtschaft. Die Folge: Unbehandelt steigt der Blutzuckerwert auf ein gefährlich hohes Niveau.