Hirschhausens Sprechstunde Genießen Sie die Piepshow der Natur!

Jeder noch so kleine Piepmatz ist Gold wert - unser Hausarzt Eckart von Hirschhausen hat das schon als Jugendlicher begriffen. Seine Diagnose: Die Natur ist unbezahlbar.

Dieses Buch werde ich nie vergessen: "Der Wert eines Vogels". Ein "Fensterbilderbuch" mit unterschiedlich großen Gucklöchern. Mit jeder der dicken Pappseiten, die man aufschlug, öffnete sich das Bild mehr. Am Anfang sah man nur ein Blaukehlchen. Die Mineralien in seinem Körper addierten sich damals, im Jahr 1983, auf wenige Pfennige reinen Materialwerts.

Auf der nächsten Seite wurde eingerechnet, welche Bedeutung der kleine Vogel in der Schädlingsbekämpfung und für die Verbreitung von Samen hat. Müsste man diese Leistung ersetzen, kostete das schon über 100 Mark. Dann wurde die Wirkung auf unser Gemüt eingepreist – der Autor Frederic Vester war durch sein Buch "Phänomen Stress" bekannt geworden. Und am Ende stand eine stolze Summe von über 1000 Piepen pro Piepmatz, die mir Pubertierendem klarmachte, dass so ein Vogel unbezahlbar ist. Und dass jeder, der die Umwelt nicht schützt, einen Vogel hat - weil er nicht weiß, was das kostet!

Drei Jahrzehnte später habe ich vergebens den Keller nach dem Buch durchwühlt. Nur auf Ebay fand ich ein Exemplar - aber das hatte, wie bei aussterbenden Arten üblich, Seltenheitswert, und der liegt ebenfalls weit über dem Materialwert. Die Botschaft hatte sich mir ohnehin eingebrannt. Seither habe ich großen Respekt vor der Vogelwelt. Mit Ausnahme der Tauben am Bahnhof Zoo so ziemlich für alle Arten.

Viele Leute kennen nicht mal fünf Vogelarten

Alle? Viele Leute kennen nicht mal fünf Vogelarten, erzählte mir ein Hobbyornithologe. Amsel, Drossel, Fink und Star? Schon von der Drossel weiß auch ich nicht, wie sie aussieht. Und zu Star fallen mir alle möglichen schrägen Vögel ein, und zwar keine Wald-, sondern Dschungelbewohner.

Mit schlechtem Gewissen habe ich gleich auf der Internetseite des Naturschutzbundes nachgeschaut, wer Vogel des Jahres ist: der farbenprächtige Grünspecht, Picus viridis. Auf den -"Meckervogel" 2013, die Bekassine, folgt damit der "Lachvogel". Wegen seines Rufs, der wie gellendes Lachen klingt, und vielleicht auch, weil der NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann heißt - kein Scherz.

Der Lachvogel ist nicht akut bedroht, aber in den Monokulturen der Landwirtschaft fehlt die Vielfalt an Gräsern, Kräutern und Samen, die Vögel brauchen. So raten Vogelkundler wie Peter Berthold vom Max-Planck-Institut für Ornithologie, als Städter nicht nur im Winter, sondern das ganze Jahr über Futter auf dem Balkon oder im Garten anzubieten. Die Nähe zum Menschen hat Folgen: Mittlerweile imitieren vor allem Dohle, Star und Eichelhäher die Klingeltöne von Mobiltelefonen.

Unglaublich? Probieren Sie es aus! Wandern Sie mit Ihrem Smartphone durch den Wald. Wenn es läutet, nicht rangehen. Während jemand auf Ihre Mailbox quatscht, rufen die Vögel in Ihrer Nähe zurück. Echte Anrufbeantworter. Man muss ihnen nur zuhören können. Pfeifen Sie auf das Sprechen nach dem Pfeifton. Genießen Sie die Piepshow der Natur. Unbezahlbar.

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