Hirschhausens Sprechstunde Willkommen in der Zeitsparkasse

Zeit sparen könnte so einfach sein
Zeit sparen könnte so einfach sein
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Verpasste Züge, verpatzte Momente, verlorene Augenblicke - damit könnte es vorbei sein, wenn nur die Idee des bekennenden Zu-spät-Kommers Eckart von Hirschhausen Wirklichkeit würde.

Das Zeitmanagement steht vor einer Revolution: Es fehlt einem doch oft nur eine Minute, um etwas Wichtiges noch zu schaffen. Warum richten wir nicht ein kosmisches Zeitkonto ein? Gekoppelt an die Sommerzeit. Da wird einem doch erst eine Stunde weggenommen, und dann bekommt man die ein halbes Jahr später wieder. Dummerweise hat man davon wenig, weil das immer nachts passiert, wo es auch egal ist, ob es gerade zwei oder drei Uhr ist, da man ohnehin schläft. Wie wäre es, wenn wir uns die Stunde nicht als Ganzes auszahlen ließen, sondern anlegten?

Von den Zeitzinsen könnte man jeweils eine Minute abheben, wenn man sie wirklich braucht: Beim Einchecken am Flughafen oder um einen Zug zu erwischen. Oder bei akuter Magen-Darm-Verstimmung die 60 Sekunden, die einem zum Erreichen eines sicheren Ortes oder Örtchens fehlen. Und gelegentlich eine Minute, um länger darüber nachzudenken, was man eigentlich sagen möchte. Und zwar, bevor man was gesagt hat.

Wobei - wie ich mich kenne, würde ich in dem Wissen, dass ich noch eine Minute habe, in der Minute vorher genau das nicht machen, was ich machen müsste, um in der letzten Minute wirklich das zu schaffen, was ich vorher nicht geschafft habe. Ich habe schon versucht, meine Uhr um fünf Minuten vorzustellen. Was auch geholfen hat. Ungefähr fünf Minuten lang. Ab dann habe ich nicht mehr Züge als vorher erreicht, sondern weniger, weil ich dachte: Ich habe ja noch fünf Minuten!

Selbstdisziplin kann schädlich sein

Ich bin ein bekennender Prokrastinateur! Das klingt besser als Vor-sich-her-Schieber. Und es klingt nach dem rebellisch-provokativen Akt, nicht stets das zu machen, was andere von einem erwarten. Oft mache ich nicht mal das, was ich von mir selbst erwarte. "Cras" (morgen) ist die Wurzel des lateinischen Wortes crastinus (dem morgigen Tag zugehörig), hat also nichts mit Jugendsprache zu tun. Aufschieben ist schon länger krass.

Erlösung vom ständigen schlechten Gewissen gewährt eines der originellsten Hilfe-vor-der-Selbsthilfe-Bücher von Kathrin Passig und Sascha Lobo: "Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin". Ein Auszug: "Mithilfe von Selbstdisziplin kann man sich nachhaltig durch eine Lebensgestaltung unglücklich machen, die überhaupt nicht zu einem passt. Es mag manchmal nötig sein, Dinge zu tun, die einem nicht gefallen, aber erstens ist das noch unbewiesen, und zweitens lebt man glücklicher, wenn man den Anteil dieser Tätigkeiten so gering wie möglich hält. Kurzum, wir wollen das Leben so organisieren, dass man das Leben nicht mehr organisieren muss. Das realistische Mindestziel ist, dass Sie das Buch lesen, in Ihrem Leben nichts ändern, sich damit aber besser fühlen als vorher."

Die To-do-Liste für das Glücklichsein

Eine intelligente Technik, um sich sofort wohler zu fühlen, ist: Dinge auf die To-do-Liste zu schreiben, die man sowieso tut oder die einem extrem unschwer fallen. "Dringend schlafen" streicht sich auch an einem Tag, an dem sonst nichts geht, wie von selbst von der Liste. So hat man stets einen Gutteil der Aufgaben erledigt, fühlt sich damit wohl ("Vier von sieben Aufgaben! Klasse Schnitt heute!") und kann sich Dingen widmen, die nicht auf der Liste stehen.

Bücher zur Selbstorganisation werden normalerweise von Leuten geschrieben, die das Problem nicht haben, und von Leuten gekauft, denen Problemlösungen von Leuten, die das Problem nicht haben, herzlich wenig nützen, sonst hätten sie das Problem ja nicht. So wie ich auch diesen Artikel zur Hälfte den Autoren verdanke, deren Buch mich auf die Idee gebracht hat. Dafür dürfen Lobo und Passig auch mal was über Glück von mir abschreiben, wenn sie kurz vor Abgabe einer ihrer Kolumnen stehen. Aber nur in letzter Minute!

GesundLeben
Eckart von Hirschhausen

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