Neue Methode Impfung gegen Bluthochdruck

Statt täglich Pillen zu schlucken, könnten sich Bluthochdruck-Patienten in Zukunft gegen ihr Leiden impfen lassen. Noch ist das Präparat in der Testphase, erste Ergebnisse klingen immerhin vielversprechend. Deutsche Hochdruck-Experten äußern bei stern.de kritische Anmerkungen zu der Impfung.

Die Methode klingt praktisch und elegant: Alle paar Monate einen Pieks in den Oberarm bekommen statt jeden Tag viele Tabletten schlucken. Die Schweizer Biotechnologie-Firma Cytos hat ein Verfahren gegen Bluthochdruck entwickelt, dessen Wirkweise sie mit der einer Impfung vergleicht: Nach einer Spritze unter die Haut bildet der menschliche Organismus Antikörper gegen das Hormon Angiotensin II. Jenes ist mit dafür verantwortlich, dass die Blutgefäße im Körper eng gestellt werden und der Blutdruck in die Höhe schießt. Die Antikörper fangen Angiotensin II ab, die Gefäße werden nicht mehr so eng gestellt, der Blutdruck sinkt.

Forscher an der Berliner Charité haben nun die Blutdruck-Impfung an 72 Patienten getestet. Die Ergebnisse sehen auf den ersten Blick viel versprechend aus: Der Blutdruck sank, und vor allem in den Morgenstunden, in denen es bei Menschen mit Bluthochdruck oftmals zu gefährlichen Druck-Anstiegen mit Herzinfarkten und Schlaganfällen kommt, blieben die Werte auf einem niedrigeren Niveau. Als Nebenwirkungen wurden bisher nur grippeähnliche Symptome festgestellt.

Wie beurteilen unabhängige Experten die Impf-Spritze gegen Bluthochdruck?

Professor Hermann Haller, Leiter der Abteilung Nephrologie an der Medizinischen Hochschule Hannover:

Bei diesem Thema schlagen in meiner Brust zwei Herzen: Als Arzt, der seine Patienten mit Medikamenten behandelt, bin ich prinzipiell bei neuen Dingen erst einmal eher vorsichtig. So habe ich auch zunächst versucht, als ich das erste Mal von der Impfung gegen Bluthochdruck hörte, die allgemeine Begeisterung zu bremsen.

Nachdem ich mich aber jetzt etwas mehr mit der Methode beschäftigt habe und die ersten Ergebnisse sah, bin ich wirklich fasziniert - da springt das Forscher-Herz in meiner Brust an.

Die Methode scheint beim Menschen gut zu funktionieren: Sie senkt den Blutdruck, auch in den frühen Morgenstunden, die ja eine kritische Zeit bei Menschen mit Bluthochdruck sind. Sie könnte geeignet sein für Patienten, die einen zu hohen Blutdruck haben, obwohl sie schon viele Tabletten dagegen nehmen. Und besonders reizvoll daran ist, dass sie über mehrere Monate wirkt.

Aber wir wissen eine Reihe von wichtigen Sachen bei dieser Impfung noch nicht: Welche der Patienten sprechen gut auf diese Methode an? Wie sind die Langzeit-Wirkungen des Mittels? Da müssen wir die Ergebnisse weiterer Studien mit mehr Patienten abwarten.

Professor Heyo Kroemer, Chef der Allgemeinen Pharmakologie an der Universität Greifswald:

Grundsätzlich ist das eine äußerst pfiffige Idee. Gerade bei älteren Menschen ist es schwierig, sicherzustellen, dass sie regelmäßig und zuverlässig ihre Tabletten nehmen. Da würde eine solche Impfung, die lange anhält, von Vorteil sein.

Aber eine Menge Fragen dazu sind noch ungeklärt: Wieviele Menschen sprechen auf die Impfung wirklich an? Um wieviel wird der Druck gesenkt? Wem genau nützt eine solche Impfung? Es ist äußerst fraglich, ob man allein mit dieser Impfung die therapeutischen Zielwerte, also die Werte, die der Blutdruck haben sollte, erreicht.

Dazu kommt, dass die neue Methode gegen eine Menge anderer Medikamente ins Rennen geht, die seit Jahrzehnten im Handel sind und hervorragende Ergebnisse zu ihrer Sicherheit bei der Verwendung an Menschen vorweisen können. Denn: Immer, wenn das Immunsystem bei einer Sache beteiligt ist - wie bei dieser Impfung - ist es wichtig zu wissen: Welche langfristigen Entwicklungen finden im Körper statt? Gibt es langfristige Nebenwirkungen? Und in diesem Fall: Werden wirklich nur Antikörper gegen das Angiotensin II gebildet?

Es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis eine solche Impfung tatsächlich in eine alltägliche Anwendung kommt.

Professor Martin Middeke, Bluthochdruck-Experte aus München:

Ich finde die Impfung einen äußerst interessanten Ansatz. Allerdings wissen wir inzwischen, dass bei vielen Menschen Bluthochdruck entsteht, weil mehrere, unterschiedliche Regelsysteme im Körper nicht richtig funktionieren. Das erklärt auch, dass man lediglich 30 bis 40 Prozent der Patienten mit nur einem Präparat weiterhelfen kann - die anderen brauchen mehrere Mittel, die an verschiedenen Stellen im Körper ansetzen.

So eine Impfung kann also nicht die Lösung für alle Menschen mit Bluthochdruck sein. Man muss vielmehr genau herausfinden, wer davon profitieren wird - und später die Patienten, die eine solche Impfung bekommen sollen, genau auswählen. Es wäre schon eine Sensation, wenn die Hälfte aller Bluthochdruck-Patienten nur mittels dieser Impfung gut eingestellt werden könnten. Aber das kann ich mir schwer vorstellen.

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Interview: Anika Geisler

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