Wer mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, kommt kaum um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod herum. Das ist zwar kein leichter Prozess und es bringt einen aus seiner Komfortzone heraus, aber man lernt ungemein viel fürs Leben.
Zum einen habe ich keine Angst mehr vor dem Tod. Sterben müssen wir alle, das ist unumgänglich, nur nie präsent.
Gut möchte ich allerdings sterben, nicht krepieren. Das bedeutet auch, dass ich, wenn der letzte Funken Hoffnung verglimmt ist, in Freude gehen werde. Selbstbestimmt. Denn da ist noch der Punkt mit den Schmerzen. Früher war ich relativ unsensibel Schmerzen gegenüber – das hat sich mit der Chemo geändert. Ich will nicht schmerzhaft sterben, ich möchte sanft hinübergleiten.
Gläubig bin ich nicht. Ich weiß nicht, ob ich durch einen Tunnel gehe, ob ich ein gleißendes Licht sehen werde, ich weiß nicht, ob ich als Regenwurm wiedergeboren werde, oder gar nicht. Aber das macht mir nichts. Regenwürmer sind auch lustig.
Nach meiner Erkrankung habe ich lange darüber nachgedacht, ob ich etwas falsch gemacht habe, denn ich habe 3 Krankheiten, die auf genetische Vorbelastungen zurückzuführen sind: Schrumpfniere, Epilepsie und Krebs. Aber bald wurde mir klar, dass ich in dem Punkt nur die dunkle Seite des Schicksals sah, dass ich keine Schuld auf mich geladen habe. Tatsächlich meint es das Schicksal nämlich gut mit mir: denn bei all dem Mist habe ich trotz der „das können Sie nicht“-Ansagen der Ärzte Abitur, Studium, Sport, Führerschein und – vor allem 2 Kinder! Ich habe sozusagen 180% meiner offiziell möglichen Ziele erreicht!
Also: Wichtig ist, was ich will. Ich will alles geklärt haben, meinen Nachlass geordnet, meine Kinder versorgt, dass alle Probleme aus der Welt sind. Ich will mich von allen verabschiedet haben. Klar im Kopf – nicht mit Morphium verschwommen.
Das sind aber alles nur Dinge, die ich „dann“ will. Denn die Konfrontation hat auch noch etwas Gutes: man beginnt, Ziele klarer zu definieren und umzusetzen.
Angkor Wat will ich sehen, auf dem Nil zu all den historischen Stätten fahren, aufs Land will ich ziehen, Hunde, Schweine und Hühner haben. Ich will meinen Kindern alles beibringen, was ich kann, damit es nicht verfällt. Wellenreiten habe ich inzwischen gelernt – auch das stand auf der Liste. So klar hätte ich meine Wünsche nie definieren können, hätte ich nicht den „Anschub“ gehabt.
Meine größte Angst ist eigentlich, dass ich das alles nicht machen kann. Mein Feind ist nicht der Tod, mein Feind war bisweilen die Zeit. Sie kann ein grausames Ungeheuer sein. Nun ist sie voller Gnade und treibt mich an, Wünsche herauszufinden, Ziele zu stecken und den Augenblick zu geniessen.
Aber wenn meine Zeit gekommen ist, werde ich meinem alten Kumpel Tod gerne die Hand reichen und sagen: „Hallo, alter Sack voll Knochen!“. Dann wird er grinsen und wir beide reiten auf seinem Pferd in den Sonnenuntergang!