Auf Ende 40 schätzte ich den Mann, der mein Sprechzimmer betrat. Er kam schnell zur Sache und erklärte, dass er ein Facelift wünsche, also eine Straffung des Gesichts. Ich war etwas überrascht, bitten mich doch in neun von zehn Fällen Frauen um den Eingriff. Außerdem war der Mann recht jung. Ich konnte den Wunsch in gewisser Weise verstehen, da seine Haut relativ faltig war. Ich nahm an, er war starker Raucher gewesen, außerdem hatte er offensichtlich zu viel Sonne genossen. Durch Rauchen und UV-Licht verliert die Haut an Elastizität, Hals-, Nasen- und Lippenfalten treten deutlicher hervor als bei Nichtrauchern. Ich stimmte dem Eingriff zu und führte ein SMAS-Lifting durch. Das ist die gängigste OP-Methode bei einem Facelift, das Ergebnis wirkt besonders natürlich. Der Eingriff verlief zunächst ohne Komplikationen, allerdings blutete der Patient an einer Stelle nach, sodass ich noch mal mit ihm in den OP-Saal musste.
Zehn Tage später traf ich ihn zum Fädenziehen wieder. Beiläufig meinte er, er wünsche einen weiteren Eingriff: Ich solle ihm die Schlupflider und Tränensäcke entfernen. Ich wurde hellhörig. Obwohl die letzte OP erst ein paar Tage her war und es Komplikationen gegeben hatte, wollte er erneut "etwas machen lassen". Dazu kam: Seine Augen bedurften keines ästhetischen Eingriffs, sie sahen völlig okay aus. Ich riet ihm ab, mitten in der Phase der Wundheilung sowieso, und bestellte ihn in vier Wochen wieder ein. Nach einem Monat tauchte er bei mir auf – mit "gemachten", also operierten, Augen. Ich war entsetzt.