Seuche Die Angst vor dem Zwitter-Virus

Die unheimliche Vogelgrippe weckt ungute Erinnerungen an die Seuche Sars. Bislang ist nur Geflügel betroffen, sollte sich das tierische Virus jedoch mit einem menschlichen kreuzen, könnte es zur Katastrophe kommen.

Vor einem Jahr sorgte die bis dahin unbekannte Krankheit Sars, die ihren Ursprung in Asien hatte, für Aufregung und Angst vor einer Pandemie - einer die ganzen Welt umspannenden Epidemie. In diesem Winter richten sich ähnliche Befürchtungen auf die Vogelgrippe oder Geflügelpest, die wiederum in Asien ausgebrochen ist. Bis zum Mittwoch starben zehn Menschen an der Krankheit, obwohl sich Menschen damit eigentlich nur selten infizieren. Ein Übergreifen auf Europa ist nach Auskunft von Experten sehr unwahrscheinlich, Sorgen bereitet aber ein mögliches Aufeinandertreffen von menschlichem und tierischem Grippe-Virus.

Millionen Tiere, besonders Hühner und Puten, sind betroffen

Pandemien haben ihren Ursprung häufig in Asien, weil dort Menschen, Geflügel und Schweine auf engem Raum zusammenleben und tierische Viren so leichter auf Menschen übergehen können. Auch spezielle Grippe-Viren entstehen dort, wie die "asiatische Grippe" oder die "Hongkong-Grippe" zeigen, die sich 1957 beziehungsweise 1968/69 weltweit verbreiteten und hunderttausende Todesopfer forderten. Und auch die grassierende Geflügelpest, eine besonders schwere Form der Vogelgrippe, wütet derzeit in Asien.

"Das ist ein richtiger Flächenbrand", sagt Ortrud Werner, Leiterin des nationalen Referenzlabors für Geflügelpest bei der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere. Millionen Tiere seien betroffen. Besonders Hühner und Puten sind für die seit 1878 bekannte Geflügelkrankheit empfänglich, sie sterben zu nahezu 100 Prozent. Seltener erliegen Enten und Gänse der Erkrankung. Lange schien es, dass der Mensch für das unter H5N1 bekannte Virus der Vogelgrippe nicht empfänglich wäre. Doch dann wurde 1997 in Hongkong bei 18 Grippe-Patienten H5N1 nachgewiesen, sechs davon starben.

Übertragung von Mensch zu Mensch noch nicht nachgewiesen

"Menschen können sich infizieren, aber bisher ist nicht nachgewiesen, dass das Virus vom Menschen wieder ausgeschieden wird und somit zu einer Ansteckung führt", erklärt Werner. Das bedeutet, dass bisher die Ansteckung immer nur über Tiere erfolgte, eine Übertragung vom Menschen auf den Menschen ist nicht bekannt. "Der Mensch muss wahrscheinlich eine sehr große Menge des Virus’ aufnehmen, sonst hätten sich schon viel mehr Menschen anstecken müssen", sagt die Forscherin.

Die Europäische Union hat für die betroffenen Länder einen Importstopp verhängt. Es sei unwahrscheinlich, dass Fleisch von erkrankten Tieren nach Deutschland gelange, meint Werner. Aber selbst in einem solchen Fall würde das Virus beim Kochen zerstört werden. "Es wäre auch nicht gefährlich, jetzt nach Asien zu reisen, wie das bei Sars der Fall war", sagt Werner. Lediglich vom Besuch von Geflügelmärkten in Asien sei abzuraten.

Genom aus acht Segmenten

Generell infizieren sich Menschen nicht so leicht mit der Vogelgrippe, weil deren Virus andere Rezeptoren benötigt als das menschliche Grippe-Virus. So kam es 1999, als in Italien die Geflügelpest ausbrach, zu keiner einzigen menschlichen Erkrankung.

Was aber der Weltgesundheitsorganisation WHO Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass zurzeit auch wieder ein menschliches Grippe-Virus umgeht. Sollte sich das menschliche Influenza-Virus mit dem Geflügel-Virus verbinden, könnte es für den Menschen tatsächlich gefährlich werden. "Influenza-Viren sind generell sehr leicht veränderlich", erklärt Werner. Ihr Erbgut (Genom) bestehe aus acht Segmenten, ein Mensch mit beiden Viren in in den Zellen vermehrten, könne es zu einem Genaustausch unter den Segmenten kommen. "Das wäre dann ein Zwitter-Virus, das aus Teilen von beiden Viren besteht."

Kein Mensch der Welt hätte gegen ein derartiges neues Virus Antikörper. Durch die Teile des menschlichen Grippe-Virus’ könnte das neu entstandene Virus sich dann auch übertragen und eine neue Pandemie auslösen. Bereits bei der Hongkong-Grippe 1968, die allein in Deutschland 30.000 Todesopfer forderte, stammte ein Teil des Virus’ von der Vogelgrippe. Die Gen-Veränderung fand damals beim Schwein statt, das über die Rezeptoren sowohl für das menschliche als auch des Geflügel-Virus' verfügte, weswegen Geflügel-Erkrankungen oft über das Schwein zum Menschen gelangen. "Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass eine derartige Veränderung des Virus’ im Menschen stattgefunden hat", erläutert Werniges Ereignis, "ob und wann so etwas vorkommt, das weiß niemand".

Mirjam Mohr, AP

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