Stimmangleichung Wenn die Stimme nicht zum Geschlecht passt: Logopädin hilft Transfrau

Johanna Joch von laut.logopädie in Hamburg hilft Transfrau Jessie.
Johanna Joch von laut.logopädie in Hamburg hilft Transfrau Jessie.
© stern.de
Sehen Sie im Video: Logopädin Johanna Joch macht Übungen mit Transfrau Jessie in ihrem laut.logopädie-Studio in Hamburg.
Die eigene Stimme beschäftigt viele Transmenschen. Denn wer sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, möchte auch so wahrgenommen werden. Logopädin Johanna Joch hilft Transfrau Jessie dabei. 

"Mieeeh" –  wie an einem langen Faden zieht Jessy den Ton von weit hinten im Rachen bis nach vorne in den Mund. Am Ende klingt er deutlich nasaler, etwa, so wie wenn man durch eine verstopfte Nase spricht. 

Seit rund zwei Jahren befindet sich Jessy in der Transition zur Frau. Davor hat sie 20 Jahre als Mann gelebt und gesprochen. Seit einem Jahr nimmt sie weibliche Sexualhormone, um ihren Körper anzupassen. Ihre Stimme verändert sich dadurch jedoch nicht automatisch mit. Dafür braucht sie die Unterstützung von Johanna Joch, Logopädin von laut. Logopädie in Hamburg.

Für ihren Job als Abteilungsleiterin im Lebensmittelexport war es für Jessy lange Zeit ein Vorteil, mit einer sonoren, tieferen Stimme zu sprechen. Diese drang einfach deutlicher durch die Räumlichkeiten. Als sich ihr Körper mit der Zeit immer stärker veränderte, passte die Stimme jedoch immer weniger zum Äußeren. "Die Kollegen nahmen mich nicht mehr so ernst wie zuvor", sagt Jessy. 

Mit Hilfe der Logopädin hat sie zu Beginn der Stimm-Transition viele Nuancen ihrer eigenen Stimme kennengelernt und eine neue Stimme trainiert, die auch zu ihrem Erscheinungsbild passt. Wie viele Faktoren beim Sprechen eine Rolle spielen, ist den meisten Menschen überhaupt nicht bewusst. Wir benutzen unsere Sprache ganz automatisch, ohne darüber nachzudenken, aus welchen Parametern sie besteht. 

Stimm-Transition: drei Faktoren bestimmen die Stimmfarbe

Zum Beispiel die Position des Kehlkopfes. Ist dieser relativ weit unten, klingt die Stimme tiefer, wird der Kehlkopf angehoben, erhöht sich die Stimmlage. Ein weiterer Faktor ist der sogenannte Twang. Er entsteht, wenn Jessy den Ton weiter nach vorne in den Mund und die Nase verlagert und die Zunge nach vorne oben richtet, um die nasale Resonanz zu verstärken. Nutzt sie die Resonanz in den hinteren Teilen des Mundes und Rachens verschwindet der Effekt immer mehr. Manche Sängerinnen wie Britney Spears ("O Baby, baby") oder die Britin Duffy ("Mercy!") setzen einen starken Twang ein und bekommen so einen hohen Wiedererkennungswert. Auch der deutsche Sänger Jan Delay verwendet den Effekt ganz gezielt. 

Der dritte wichtige Stimmfaktor ist die Stimmbandebene. Der Stimmklang lässt sich sanfter oder härter gestalten. Eine stärker behauchte Stimme wirkt eher weich, eine nicht oder kaum behauchte Stimme eher härter. Aus diesen drei Komponenten Kehlkopfposition, Twang und Hauchen hat sich Jessy ihre individuelle Wunschstimme zusammengesetzt. 

Diese im Alltag zu nutzen, erfordert(e) viel Übung. Am Anfang der Transition war sie sehr unsicher und wollte beispielsweise in der S-Bahn nicht telefonieren oder angesprochen werden. Mit Johanna Jochs Unterstützung stellten sich dann jedoch relativ schnell große Erfolge ein: "Das hatte ich so nicht erwartet", sagt Jessy. 

Bereits nach einem halben Jahr Training wurde sie selbstbewusster in Gesprächen bei der Arbeit und verlor auch sonst die Scheu in der Öffentlichkeit zu sprechen. Auch wenn es hin und wieder kleine Rückschläge gibt und sie in stressigen Situationen ihren authentischen Stimmklang zunächst verlor, hat Jessy mit der Stimm-Transition neues Selbstbewusstsein gewonnen. 

Man könne die Stimme auch durch einen chirurgischen Eingriff verändern, sagt Johanna Joch. Frauen haben typischerweise kürzere Stimmlippen als Männer, wodurch sie meist automatisch eine höhere Stimmlage haben. Eine Operation sollte sorgfältig abgewogen werden, denn neben den medizinischen Risiken, die ein solcher Eingriff mit sich bringt, muss die neue Stimme nicht unbedingt der entsprechen, die sich die Transperson wünsche. Aus Erfahrung erreichen die meisten Transpersonen durch logopädisches Training einen Stimmklang, mit dem sie sich identifizieren können. Und können mit den erlernten Stimmtechniken eine Überlastung ihrer Stimme verhindern. 

Noch ist Jessie nicht am Ziel angekommen, aber mit Johanna Jochs Geleit ist sie auf dem richtigen Weg zu ihrer neuen Sprache.

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