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Absturz ins Seelentief Wie sich Perfektionisten in die Erschöpfung treiben

Erschöpft? Vielleicht ist der Anspruch an sich selbst zu hoch.
Erschöpft? Vielleicht ist der Anspruch an sich selbst zu hoch.
© Colourbox.de
Am Anfang steht der Wille, stets Einwandfreies zu leisten. Am Ende die Kapitulation vor sich selbst. Der Weg, auf dem sich Perfektionisten in die völlige Erschöpfung treiben, ist oft ein ähnlicher.
Von Corinna Schöps

1. Das Leben läuft erst einmal bestens

Der innere Satz perfektionistischer Menschen lautet: "Mache es bestmöglich." In der Arbeitswelt ist so jemand, nennen wir sie hier Frau Meier, oft erfolgreich und beliebt; eine angenehme Kollegin, auf die sich die Chefs verlassen können, weil sie super Ergebnisse abliefert. Sie ist aber auch außerhalb ihres Berufs gewissenhaft und gut organisiert. Ob sie Kinder erzieht oder regelmäßig joggt, Gäste bewirtet oder Geige spielt, sich weiterbildet, ihre Kleider auswählt oder die Wohnung in Ordnung hält: Andere bewundern sie dafür, wie gut sie alles im Griff hat.

2. Das System gerät aus dem Gleichgewicht

Meist beginnt es mit Stress von außen: Wenn der Partner in eine Krise gerät oder ein Kind schwer erkrankt. Wenn die Firma umstrukturiert wird und man sich latent von Jobverlust bedroht fühlt. Wenn der neue Vorgesetzte das hohe Engagement plötzlich nicht mehr wertschätzt. Dann droht der Perfektionistin Meier der Einstieg in eine Stressspirale.

3. Sie reagiert auf die unsichere Lage

Wie jeder Mensch unter Druck setzt auch Meier nun automatisch auf ihre Lieblingsstrategie. In ihrem Fall heißt das: Sie wirft den Turbo an. Sie erledigt den Job noch akribischer oder kümmert sich noch intensiver um das Wohl ihrer Familie; sie versucht alles richtig zu machen, um sich wieder sicherer und besser zu fühlen. Denn das hat schließlich noch immer geholfen.

4. Ihr Einsatz ist wirkungslos

In manchen Situationen ändert der zusätzliche Aufwand jedoch nichts, er kann es gar nicht: Denn die Firma dreht den Wandel natürlich nicht zurück, auch wenn Meier noch so strampelt. Der neue Chef bleibt bei seinem schlechten Führungsstil; der Partner reagiert auf ihr übertriebenes Gewirbel noch genervter, das Kind wird trotz allen Bemühens nicht gesund. Eine wie Meier spürt nun: Ihre beste Strategie richtet nichts aus. Sie zu ändern fällt ihr nicht ein, dazu ist sie zu sehr unter Stress. Meiers Unsicherheit wächst daher weiter, sie fühlt sich noch gestresster, ihr Denken verengt sich, ihr Schlaf wird schlechter.

5. Sie erhöht den Einsatz

Da Meier früh im Leben gelernt hat, dass besondere Leistung belohnt wird, hat sie das Gefühl, sich einfach noch nicht genug anzustrengen. Sie legt also eine weitere Schippe drauf. Allmählich kostet sie das ernorm viel Kraft. Sie fühlt sich häufig erschöpft. Da sie Hochleistung normal findet, verunsichert sie dieser Energieverlust zusätzlich. Sie weiß, dass Bewegung Stress abbaut, und trainiert jetzt verbissen für einen Marathon. Doch ihre Stimmung verdüstert sich zusehends, sie hat zu nichts mehr Lust. Sie streicht die schönen Dinge aus dem Kalender: den Theaterbesuch, das Treffen mit den früheren Kollegen, den Doppelkopfabend.

6. Sie mobilisiert die Reserven

Alles, was ihr jetzt neue Kraft geben und ihre Ressourcen stärken würde - ein vergnüglicher Abend mit Freundinnen, ausgeprägte Muße, Sport ohne Leistungsdruck -, hat sie aus ihrem Alltag verbannt. Stattdessen macht sie mehr Überstunden. Ständig gleicht sie ihren negativen Istzustand mit dem ab, was eigentlich möglich wäre. Ihre Defizite erscheinen ihr immer größer, das ängstigt sie. Sie grübelt anhaltender. Ihre Konzentration leidet. Und so macht sie jetzt Fehler bei der Arbeit, vergisst sogar Termine - ausgerechnet sie!

7. Sie fühlt sich schuldig und wertlos

Weil allmählich all ihre Beziehungen leiden, obendrein die Arbeitsergebnisse schlechter werden, wichtige Dinge unerledigt bleiben, sie immer dünnhäutiger wird, droht weiterer Ärger. Die Unsicherheit wächst. Wie jeder hochgradig und anhaltend gestresste Mensch geht Meier jetzt zum Angriff gegen sich selbst über: Sie macht sich Vorwürfe, hadert unablässig mit sich, ihr Selbstwertgefühl wird immer schwächer. Ihr Körper rebelliert schon längst. Inzwischen wälzt sich Meier fast täglich in den frühen Morgenstunden hellwach und wie unter Strom im Bett. Tagsüber fühlt sie sich nun noch matter, leidet unter Rückenschmerzen. Sie ist zunehmend verzweifelt.

8. Sie wird schwer krank

#link;http://www.stern.de/gesundheit/depressionen-die-geheime-logik-der-volkskrankheit-2167612.html;Am unteren Ende dieser Stressspirale steht eine ausgewachsene Depression#: mit tiefer Niedergeschlagenheit, lähmender Erschöpfung. Meier kann nicht mehr, sie fühlt sich völlig kraftlos, bleiern und leer und wird zugleich von starker Unruhe gequält. Sie ist nicht mehr in der Lage zu arbeiten, kann kaum aufstehen, jeder Handgriff fällt ihr schwer. #link;http://www.stern.de/gesundheit/krankhafter-perfektionismus-wege-aus-der-krise-2179090.html;Sie empfindet ihr Leben als sinnlos und unerträglich. Spätestens jetzt ist es Zeit, ärztliche Hilfe zu suchen#.

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