Streaming-Kritik Ist den Machern die Puste ausgegangen? Warum "Ted Lasso" nur noch nervt

Jason Sudeikis (links) spielt Ted Lasso, einen Fußballtrainer, der einer englischen Mannschaft zu neuem Ruhm verhilft
Jason Sudeikis (links) spielt Ted Lasso, einen Fußballtrainer, der einer englischen Mannschaft zu neuem Ruhm verhilft
© Colin Hutton/Apple TV+ / AP
Die Serie um Trainer Ted Lasso und die Geschicke eines Londoner Fußballclubs galt lange als Liebling des Publikums und der Feuilletons. Doch in Staffel drei geht es mit der Show bergab. Unsere Autorin hat jedenfalls genug von der Langeweile im Locker-Room.

Vielleicht ist es diese Szene, die den Niedergang der Kultserie "Ted Lasso" besiegelt: Roy Kent, notorisch schlecht gelaunter Ex-Fußball-Profi, bringt seine kleine Nichte zur Schule und trägt dabei statt seiner üblichen schwarzen Kluft ein T-Shirt, das die Kleine extra für ihn gebatikt hat. Das knallbunte Shirt steht natürlich für viel mehr als für die irgendwie niedlichen, aber doch unangenehmen Peinlichkeiten, die man im Leben mit Kindern hin und wieder durchstehen muss: Roy erkennt in diesem T-Shirt, dass er viel zu lange in sich selbst "gefangen" war, festgefahren in seinen Anschauungen und Meinungen. Jetzt, im Batik-Look, geht im plötzlich auf, dass das Leben ja so viel komplexer ist, als er in seiner knallharten Schwarz-Weiß-Sicht der Dinge bislang annahm.  

Eine Weisheit wie aus der Illustrierten: Einfach mal Farbe tragen und schon erscheint das ganze Leben gleich viel fröhlicher und bunter! Roys unvermittelter Sinneswandel, der so gar nicht zu seiner Serienkarriere als grummeliger, doch herzensguter Schimpfwort-Fan passen will, verhilft so aber auch dem TV-Publikum zu einer Erkenntnis: Eigentlich quält man sich nur noch aus liebgewonnener Gewohnheit durch diese Serie rund um die Geschicke eines Londoner Fußballclubs. Nach Staffel drei soll ohnehin Schluss sein mit "Ted Lasso" – und ehrlich gesagt ist das auch gut so. Was mal als heitere Comedy begann, die Publikum und Feuilletons gleichermaßen begeisterte und zahlreiche Preise absahnte, darunter elf Emmys, schleppt sich aktuell so mühsam in Richtung Finale, dass man sich nur noch fragt: Wann ist es endlich vorbei?!

Einst hatte "Ted Lasso" alles, was eine gute Serie brauchte

Dabei hatte "Ted Lasso" einmal alles, was eine Serie braucht, bei der man sich selbst im Binge-Zeitalter geduldig jede Woche auf neue Folgen freut, die der Streamingdienst Apple+ nur nach und nach veröffentlicht. Charmante Protagonisten rund um die titelgebende Figur des Ted Lasso, ein amerikanischer Football-Trainer, der mit seinen unkonventionellen Trainingsmethoden die zweitklassige Fußball-Mannschaft des AFC Richmond in die Premier-League führen soll. Aus dem "Neue trifft alte Welt"-Kulturclash ergab sich genau die richtige Mischung aus Dad-Jokes, staubtrockenem britischem Humor und einfühlsamen Unterhaltungen, die die klischeehaft toughe Männerwelt des Fußballs erstaunlich vielschichtig erscheinen ließen. Und dann war da natürlich noch das eigentlich Herzerwärmende, das, was "Ted Lasso" schnell zu Kultstatus verhalf: Die jede Niederlage auf dem Fußballplatz überstrahlende Botschaft, dass man mit ein bisschen Nachsicht und Humor alle zwischenmenschlichen Probleme easy bewältigen könne.

Nur reicht dieses wohlige Gefühl von "Alles wird gut, wenn wir Freunde sind", der Gute-Laune-Vibe, in Staffel drei nicht mehr aus, um über die zerfaserten Storylines und halbherzigen Konfliktlösungen hinwegzusehen.

Coach Lasso hat seine Verve verloren. In seinen Locker-Room-Talks gibt's statt schrulliger Mutmach-Ansprachen nur noch lahme Floskeln zu hören ("glaubt daran, dass die Dinge besser werden können"). Inspiration für die Spieltaktik findet er lediglich beim Pilz-Trip, ansonsten trauert er hauptsächlich seiner geschiedenen Frau hinterher und kriegt nicht viel mit. Zum Beispiel, dass sein Spieler Colin mit der Entscheidung kämpft, ob er sich outen soll. Und als es dann so weit ist, Colin sich seiner Mannschaft gegenüber offenbart, werden dessen innere Kämpfe mit einem nichtssagenden Feelgood-Spruch abgehandelt: "We care about you, very much."

Das "Coming-out" eines Spielers löst sich in Wohlgefallen auf

Das soll wohl reichen als Beitrag zur Frage, warum Homosexualität im Fußballsport im Jahr 2023 überhaupt noch ein Thema ist. So wie sich alle Konflikte der Serie urplötzlich in Wohlgefallen auflösen: Jede der Figuren scheint nur auf den einen Moment zu warten, in dem die Drehbuchautoren sie von ihren leidigen Problemen befreien. Schnips, erledigt!

Dabei war es ursprünglich die einnehmende Stärke der Serie, mühelos zwischen Albernheit und ernsten Tönen zu wechseln, die Sorgen und Nöte ihrer Figuren ernstzunehmen, aber auch nicht zu überstrapazieren – schließlich handelte es sich immer noch um ein knackiges Comedy-Format. Doch inzwischen mäandern die Handlungsstränge viel zu vieler Figuren vor sich hin, bis offenbar auffällt: Mist, es gibt ja nur noch wenige Folgen! Also muss die angefangene Erzählung holterdiepolter zu Ende gebracht werden.

In der Serie herrscht mittlerweile so lange Planlosigkeit, bis es hektisch wird. Am ärgerlichsten davon betroffen sind die weiblichen Hauptfiguren. Die Club-Chefin Rebecca muss erst in einen Kanal in Amsterdam stürzen, um endlich mal wieder männliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Überhaupt taucht Rebecca nur noch im Zusammenhang mit Männersorgen auf: Obgleich sie erfolgreich ein Multimillionen-Unternehmen leitet, fühlt sie sich vor einem Meeting mit anderen Fußball-Managern so eingeschüchtert wie ein kleines, unsicheres Mädchen.

Möglicherweise ist "Ted Lasso" einfach auserzählt

Die zweite Lady, die ihr Schicksal in "Ted Lasso" wirklich nicht verdient hat, ist Keeley Jones. Die einstige PR-Beraterin des AFC Richmond und ehemalige Fußballer-Flamme verspielt ihr neu gegründetes Girlboss-Imperium fast, indem sie eine unfähige alte Freundin engagiert und zu allem Überfluss eine Liebelei mit ihrer Investorin beginnt. Na klar, Frauen halt, die haben ihre Gefühle im Business einfach nicht im Griff…

Seufz. Das wirkt alles so, als sei dem Produktionsteam um Jason Sudeikis, der auch die Titelrolle spielt und am Drehbuch beteiligt, kurz vor Abpfiff komplett die Puste ausgegangen. Waren die Erwartungen an den Favoriten zu groß? Vielleicht ist die Serie auch einfach auserzählt. Und vielleicht ist das der Grund, warum sich Coach Lasso in der Serie immer mehr zurückzieht: Sein Job ist getan, seine Schützlinge und auch das Publikum müssen jetzt selbst entscheiden, wie es für sie weitergeht.

Schade nur, dass sich das Ende dieser Serie ein bisschen anfühlt wie ein Treffen mit alten Schulfreunden: ganz nett, aber so richtig interessieren einen die Erzählungen aus dem Leben der anderen nicht mehr. Und dass man sich so schnell wohl nicht wiedersehen wird, darüber ist man nicht sehr traurig.

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