DEBÜT Anarchie auf dem Barhocker

Ungewöhnliches Sprachgefühl und eine vertrackte Fantasie zeigt der Journalist Marc Fischer in seinem Debütroman.

Marc Fischer ist gerade aus Japan zurück, wo er »viele dicke Männer« getroffen hat. Wahrscheinlich bereitet er eine Reportage über Sumo-Ringer vor. So genau sagt er das nicht, denn Fischer ist Journalist, und Diskretion ist wichtig, wenn man für verschiedene Auftraggeber wie stern, »Spiegel«, »Allegra«, »Woche« und »jetzt« arbeitet. Er hat von Giftgas-Inseln im Pazifik berichtet, aus einer Werbeagentur in Tokio und von einer Partyinsel im Mittelmeer.

Das Besondere an Fischer: Er erzählt nie nur, wie etwas ist, sondern immer auch, wie sich etwas anfühlt. Als er mit 24 Jahren seine ersten Zigaretten ausdrückte, schrieb er: »Rauchen ist wie eine kleine Pause von all der Scheiße um einen herum, ein stiller Moment inmitten des Chaos, der kleine Frieden im großen Krieg.« Eine Erkenntnis, die selbst Nichtraucher zur Zigarette greifen lässt und die nun auch in Fischers erstem Buch wieder auftaucht.

Der Held in »Eine Art Idol« ist Journalist, die Zeitschrift, für die er arbeitet, wird eingestellt, und von der Abfindung reist unser Mann nach Japan. So weit ist das Buch autobiografisch, aber dann zeigt Fischer, dass er nicht nur viel erlebt hat auf seinen Reisen, sondern auch Fantasie besitzt.

Sein Held kehrt zurück, abgebrannt und ohne Ziel ? und beschließt, in der Zeitzone Japans zu bleiben. Er schläft tagsüber und beginnt seine Tage in der Nacht mit Drinks in Bars, die er bald sehr gut kennt. Nach einiger Zeit begreift er, warum die Menschen ausgehen und wie die perfekte Bar sein muss, und schließlich entdeckt er eine glamouröse Verschwörungsgemeinschaft, die ihre anarchistische Weltordnung mit Partys und Kokain-Roulette finanzieren will und nichts Geringeres plant als den Umsturz der bestehenden Ordnung ? zuerst in Deutschland, später auf der ganzen Welt.

Die Story ist manchmal düster, manchmal durchgedreht, aber nie vorhersehbar. Und: Sie ist so gut geschrieben, dass erst am Ende auffällt, es könne sich vielleicht nur um eine langgezogene Kurzgeschichte handeln. Auf jeden Fall ist es eine Erzählung, die einen wegführt von bereits gedachten Gedanken und gesagten Sprüchen. Und das ist bei zeitgenössischer deutscher Literatur ja eher selten.

Marc Fischer war zuletzt Redakteur bei der 1996 eingestellten Zeitschrift »Tempo«. Seitdem hat er in keiner Redaktion mehr fest gearbeitet, sondern immer nur frei Geschichten geschrieben. Denn Fischer ist, wie viele andere ehemalige »Tempo«-Kollegen, immer noch der Auffassung, dass alles zu ertragen ist ? bis auf das Mittelmaß.

Das Mittelmaß ist die Hölle, und die » ist immer anders, als wir sie uns vorstellen« lässt er seinen Helden erkennen. »Das ist ja das Höllenhafte an ihr. Sie ersetzt jedes Bild, das wir uns von ihr machen, durch ein noch schlimmeres, auf das wir erst recht unvorbereitet sind.« Wegen solcher Sätze lohnt sich sein Buch.

David Pfeifer