Leipziger Buchmesse Hörbücher - oft verkauft, flugs kopiert

Im Netz existieren 60.000 illegale Hörbuch-Angebote - alleine zu "Harry Potter" und Schätzings "Schwarm". Das bereitet den Anbietern natürlich Kopfzerbrechen. Denn auch im legalen Markt ist nicht alles Gold, was klingt: Der Wettbewerb drückt auf die Preise.

Die Leipziger Buchmesse 2007 bricht alle Rekorde. Vom Donnerstag bis zum Sonntag stellen 2348 Aussteller aus 36 Ländern ihre Neuheiten vor. Welchen Stellenwert die Audiobücher mittlerweile besitzen, zeigt der große Andrang in Leipzig: Allein in diesem Jahr sind 120 Firmen vertreten, die in mehr als 100 Veranstaltungen ihre Neuheiten präsentieren. Der lukrative Hörbuch-Markt wird immer enger, weil es immer mehr Verlage und immer mehr Titel gibt. Etwa 500 Hörbuchverlage mit insgesamt rund 16.000 Titeln werben zurzeit um jeden Käufer – und wollen ein Stück vom großen Kuchen. Im letzten Jahr stieg der Umsatz um sagenhafte 17 Prozent. Nach Angaben von Media Control GfK International lag der Anteil der Audiobooks am gesamten Buchmarkt im Jahr 2006 dagegen nur bei bescheidenen vier Prozent.

Für die Branche geht es besonders um die Frage, welche Vertriebswege der Verbraucher in Zukunft nutzt. Dank schnellen DSL-Zugängen ist der Download von Audiobooks heute problemlos zu meistern. Es gibt kaum noch Menschen, die mit CD-Player unterwegs sind. Jogger, Fahrradfahrer, Fußgänger oder Benutzer von Bussen, Bahnen gehen ohne ihren MP3-Player nicht mehr aus dem Haus. Zwar liegt die klassische CD beim Verkauf noch weit vorne, aber das Internet mausert sich zum Konkurrenten. Eine aktuelle Untersuchung der Innofact AG im Auftrag von Audible, Random House Audio, Lübbe Audio und Argon über den deutschen Hörbuchmarkt bestätigt den Trend. Downloadkäufer hören mit rund 13 Stunden pro Monat mehr als doppelt so lange Hörbücher wie CD-Käufer. Downloadkäufer kaufen zudem in den meisten Genres mehr als CD-Käufer - lediglich bei Kinder- und Jugendbüchern und bei "Sprachen lernen" liegen die CD-Käufer vorn. Die Hörbücher werden fast ausschließlich über den MP3-Player gehört, über den 89 Prozent der Befragten verfügen.

Plattformen für Hörbücher

www.audible.de
Übersichtliches Hörbuch-Portal mit umfangreichem Angebot fiktionaler Literatur sowie vielen hochkarätigen Audiomagazinen. Kostenpflichtig.

www.claudio.de
Top-Angebot aus allen Sparten der Literatur sowie Tages- und Wochenzeitungen als Audio-Files. Zusätzlich bietet das Portal Hörspiele des Bayerischen Rundfunks an. Kostenpflichtig.

www.soforthoeren.de
Sehr gute Suchmaske und benutzerfreuendliche Downloads, hier lässt sich auch nach Werken aus Verlagen suchen. Kostenpflichtig.

www.hoerbie.de
Das Kinderhöerspiel-Portal bietet alles, was die Kleinen lieben. Besonders schön ist Suche nach Altersklasse. Kostenpflichtig

www.vorleser.net
Über 400 kostenlose Downloads von Gedichten, Dramen und anderen klassischen Texten. Der Trick: Die Download-Plattform läßt rechtefreie Texte von Profisprechern lesen.

www.märchen-podcast.de
Hier werden Märchen aus aller Welt als Podcast kostenlos zum Hören angeboten.

Hohe Dunkelziffer illegaler Angebote

Kein Wunder also, dass alle großen Medienhäuser, aber auch einige kleinere Verlage inzwischen Download-Portale für das legale Herunterladen der Audio-Dateien gestartet haben. Zu den bekanntesten Anbietern gehören www.claudio.de, www.audible.de, www.soforthoeren.de und www.libri.de. Genauso wie der Musikindustrie bereitet allerdings auch den Verlagen das illegale Herunterladen große Sorgen. "Kurz nach Erscheinen und innerhalb eines relativ überschaubaren Zeitraums von etwa einem Monat hat die von uns beauftragte Anwaltskanzlei durch Stichproben rund 60.000 illegale Angebote alleine zu den "Harry Potter"-Hörbüchern und Frank Schätzings "Der Schwarm" im Netz ausgemacht", sagt die Sprecherin des Münchner Hörverlags, Heike Völker-Sieber. Die Anzahl illegaler Up- und Downloads könne gar nicht hoch genug angesetzt werden, da mit einer "extremen Dunkelziffer nicht entdeckter Angebote" gerechnet werden müsse.

"Bei vielen Online-Nutzern herrscht eine große Unwissenheit darüber, wie Hörbücher entstehen und wie viel eine Produktion kostet", sagt Joachim Leser vom Kein & Aber Verlag Zürich. "Jeder illegale Download schadet den beteiligten Künstlern", meint Barbara Widmann vom Patmos Verlag. Download-Portale dürften außerdem keine Dumpingpreise anbieten. "Sonst können aufwendige Produktionen künftig nicht mehr finanziert werden", erklärt Widmann. Bis in die Millionen gehen die Kosten für außergewöhnliche Audio-Projekte wie Tolkiens "Herr der Ringe"-Saga oder Tad Williams "Otherland" mit allein 220 Schauspielern. Zu den Gagen für Sprecher, Autor, Regisseur, Übersetzer, Komponist, Musiker und Tontechniker kommen noch die Lizenzrechte für Text und Musik sowie Studiogebühren.

Beckett wird querfinanziert

"Die Verlage arbeiten mit einer klassischen Mischkalkulation, dass heißt in unserem Fall 20 Prozent unserer Hörbücher machen den Gewinn, mit dem wir die anderen 80 Prozent mitfinanzieren", sagt die Hörverlag-Sprecherin. Bestseller machen so ambitionierte Projekte wie Peter Weiss' "Die Ästhetik des Widerstands" oder eine umfangreiche Edition mit Werken Samuel Becketts erst möglich. "Schlimm ist, dass das illegale Herunterladen immer noch als Kavaliersdelikt behandelt wird", sagt der kaufmännische Verlagsleiter von Steinbach Sprechende Bücher, Peter Bosnic. "Das Thema Preise ist im Moment im Hörbuchmarkt ohnehin schwierig. Viele Anbieter sind zu preiswert und signalisieren den Endkunden, dass Hörbücher billig sein müssen." Angebote gibt es immerhin schon für fünf Euro. Händler wie Libri wollen den Raubkopierern mit digitalen Wasserzeichen, die sich auf den zum Download angebotenen Dateien befinden, auf die Schliche kommen. Taucht eine mit einem Wasserzeichen geschützte Datei in einer illegalen Tauschbörse auf, kann der Käufer der Datei über das eingebettete Wasserzeichen ermittelt werden. Vielleicht sucht man in den einschlägigen Tauschbörsen wie Kazaa deshalb so lange nach Hörbüchern. Ganz legal dagegen ist eine Plattform wie Hitflip. Hier sollen Anbieter von gebrauchter Ware Kontakt zu interessierten Nachnutzern finden. Da wirklich nur die physischen CDs getauscht werden, ist das Angebot auch legal. Trotzdem schmerzt es die Verlage.

Der Umsatz mit Online-Verkäufen von Audio-Büchern ist bei den meisten Verlagen nach einer Umfrage des Börsenvereins noch marginal. Kein & Aber-Sprecher Leser hat Zweifel, dass das Online-Geschäft die gekauften CDs irgendwann vollständig ablöst. "Der Umsatzanteil wird sicherlich steigen, aber das Bedürfnis nach Sinnlichkeit, nach Haptik wird unvermindert bestehen bleiben", meint auch Völker-Sieber. "Wir schätzen, dass es noch einige Jahre beides geben wird", sagt Bosnic.

Thomas Soltau mit DPA