Jedes Jahr im Herbst wächst die Spannung in der Literaturwelt. Wem spricht die Schwedische Akademie diesmal den Literaturnobelpreis zu? Die häufig überraschende Entscheidung der maximal 18 Juroren stieß in der mehr als hundertjährigen Geschichte des begehrtesten Literaturpreises der Welt nicht nur auf Begeisterung, sondern immer wieder auch auf Unverständnis.
Gleich die erste Vergabe 1901 sorgte für Wirbel. Nicht der Russe Leo Tolstoi, wie von vielen Experten erwartet, sondern der heute weitgehend unbekannte Franzose Sully Prudhomme konnte sich über die Auszeichnung freuen. Dass die Akademie-Entscheidungen auch den Zeitgeschmack widerspiegeln, mag 1938 ausschlaggebend für die Auswahl der amerikanischen Bestsellerautorin Pearl S. Buck gewesen sein, in den Augen von Kritikern kein literarisches Schwergewicht.
Hochkarätige Autoren wie Tolstoi, James Joyce, Virginia Woolf, Franz Kafka, Marcel Proust, Friedrich Dürrenmatt, Henrik Ibsen oder August Strindberg fehlen dagegen in der Liste der Preisträger. Lange auf die Ehrung warten musste etwa der deutsche Schriftsteller Günter Grass, der erst 1999 den Literaturnobelpreis erhielt.
Von Gauklern und Rednern
Auch an Skandalen fehlt es nicht. So musste 1958 der Autor Boris Pasternak ("Dr. Schiwago") die begehrte Auszeichnung auf Druck der sowjetischen Parteiführung ablehnen. Der Franzose Jean-Paul Sartre wies den Preis 1964 als bisher einziger freiwillig zurück. "Jeder Preis macht abhängig", erklärte er stolz. Elf Jahre später fragte er dann aber doch beim Nobelkomitee diskret nach, ob man ihm nachträglich die Dotierung von damals 273.000 schwedischen Kronen überweisen könne. Bekommen hat er das Geld nicht.
Nicht immer fällt die Wahl der Stockholmer Akademie auf Romanautoren oder Lyriker. 1953 ging der Preis an den britischen Ex-Premierminister Winston Churchill - gewürdigt wurden seine literarischen Verdienste als Historiker und Biograf sowie seine Redekunst.
Die Vergabe des Literaturpreises an den als Theatermacher bekanntgewordenen italienischen Bühnenautor Dario Fo sorgte 1997 für wütenden Protest bei den Kritikern. Fo sei nur ein unterhaltsamer Gaukler, aber kein Autor von Weltrang, lautete der wenig freundliche Tenor. Der damals 71-Jährige reagierte mit Spott und stellte seine "Nobel-Vorlesung" unter den Titel "Gegen freimütige Gaukler". Es wurde ein umjubelter Auftritt.
105. Verleihung
Der Nobelpreis für Literatur wurde seit 1901 fast jährlich vergeben - 2011 zum 104. Mal. In den Jahren 1914, 1918, 1935 und 1940 bis 1943 wurde die Verleihung ausgesetzt. Viermal mussten sich zwei Schriftsteller die Auszeichnung teilen: 1904, 1917, 1966 und 1974. Keiner der auserwählten Autoren erhielt die Trophäe mehr als einmal.
Der bisher jüngste Preisträger war 1907 der 41-jährige Brite Rudyard Kipling, Autor des "Dschungelbuchs". Bisher älteste Ausgezeichnete ist seine Landsmännin Doris Lessing, der 2007 mit 88 Jahren der Literatur-Nobelpreis zuerkannt wurde. Sie musste allerdings die Preisverleihung aus gesundheitlichen Gründen ebenso absagen wie ein Jahr zuvor der Brite Harold Pinter. Die österreicherische Preisträgerin Elfriede Jelinek reiste 2004 aus Angst vor großen Menschenansammlungen nicht zur Verleihung nach Stockholm.