2015 bereitete die ARD den Zuschauern den perfekten Start ins neue Jahr: Sie sendete am 1. Januar die "Tatort"-Folge "Der irre Iwan", den zweiten Fall des Teams aus Weimar, und verlängerte so den Rausch der Silvesternacht um 90 wilde Minuten, in denen der Zuschauer Unerhörtes geboten bekam. Anstelle einer vorhersehbaren Suche nach dem Täter mussten grundlegendere Fragen geklärt werden: Wer bin ich - und wenn ja wie viele?
Der an biedere Krimikost gewohnte Zuschauer wusste nicht recht, wie ihm gerade geschah. Es ging vom Rathaus ins Tattoo-Studio, vom Rummelplatz ins FKK-Paradies und wieder zurück. Es traten eineiige Zwillinge auf, von denen einer tot in der Geisterbahn gefunden wurde, später aber quicklebendig durch die Pathologie hüpfte. Und mittendrin in dem Wahnsinn: Christian Ulmen und Nora Tschirner als kalauerndes Ermittlerpärchen mit Baby an Bord.
Gleich zu Beginn setzt der Film seine Tonlage: Das Ehepaar Lessing (Ulmen) und Kira Dorn (Tschirner) genießt das frische Familienglück mit seinem Neugeborenen, da kommt ihr Chef (Thorsten Merten) herbeigebraust, lädt die Ermittler samt Kind ins Auto und karrt die ganze Bagage ins Rathaus, wo kurz vorher ein Raubüberfall stattgefunden hat. Die Sekretärin wurde von einem maskierten Täter - scheinbar versehentlich - erschossen. Doch weil die Tote ein Verhältnis mit ihrem Chef hatte, dem Stadtkämmerer Iwan Windisch (Jörg Witte), kann auch gezielter Mord nicht ausgeschlossen werden.
"Du kriegst 'n Mann aus der Geisterbahn..."
Als Schlüsselfigur in diesem Fall erweist sich "der irre Iwan". Der angesehene Kämmerer verhält sich in letzter Zeit sehr merkwürdig. Zudem hat er seine Frau nicht nur mit seiner Sekretärin betrogen, sondern sich auch mit Peggy Schuhschnabel (Michelle Monballijn) verlustigt, der hübschen Empfangsdame aus dem FKK-Paradies.
Einen ganz neuen Dreh bekommt die Geschichte, als die Ermittler das Foto des Geisterbahnbetreibers Josef Eisenheim entdecken, der Windisch zum Verwechseln ähnlich sieht. Führt Iwan ein Doppelleben? Oder hat er einen Zwillingsbruder, von dem keiner etwas ahnt?
Dieser "Tatort" jagt die Ermittler durchs Spiegelkabinett und treibt das Verwirrspiel auf die Spitze, als in der Geisterbahn die Leiche Eisenheims gefunden wird. Oder ist es Iwan - und die beiden haben zuvor ihre Identitäten getauscht? Lessing hat schon früh den richtigen Verdacht.
"Tatort": Der Wahnsinn kulminiert im Leichenschauhaus
Die Geschichte, wie schon beim ersten Weimar-"Tatort" geschrieben von Murmel Clausen und Andreas Pflüger, schlägt geradezu irrwitzige Haken. Der Wahnsinn kulminiert im Leichenschauhaus: Lessing und Dorn wollen die Beine des Toten röntgen, um dessen Identität zu klären: Iwan oder Nicht-Iwan, das ist hier die Frage. Der ganze Schwindel würde auffliegen, und um das zu verhindern stiehlt sich der falsche Iwan in die Pathologie, wo er sich tot stellt. Doch weil die Medizinerin zunächst den Schädel aufschneiden will, sucht der falsche Tote doch lieber das Weite und flüchtet auf den Rummelplatz, wo es zum dramatischen Showdown kommt.
Zwischendrin gibt es viele Gelegenheiten für humoristisches Geplänkel zwischen Ulmen und Tschirner, nicht immer wirklich lustig und oft arg kalauernd ("Herr Windisch, nun seien Sie nicht kindisch"). Immerhin ist das Paar am Ende zwei Schritte weitergekommen: Er trägt nun ihren Vornamen auf seiner Wade tätowiert, sie hat ihm einen Antrag gestellt: "Willst du meine Frau werden". Wer in dieser Beziehung Mann ist und wer Frau, scheint also genau so schwer zu klären wie die Frage echter Iwan und falscher.
Der HR wiederholt diese "Tatort"-Folge an Silvester um 20.15 Uhr