Kunderas Beziehungen zu Frankreich sind so emotional und konfliktreich, wie die, die er in seinen Romanen zwischen Männern und Frauen beschreibt. Als er 1975 mit seinem Renault 5 voller Bücher und Desillusionen nach Paris fuhr, sagte er: "Zu meiner großen Überraschung war ich in meinem Exil in der ersten Minute glücklich". Als 1998 jedoch Frankreichs Kritiker begannen, seine Werke zu kritisieren, zog sich der Autor, der an diesem Donnerstag 75 Jahre alt wird, völlig zurück, verweigerte jegliche Interviews. "Schmollt Kundera noch immer?", fragte sich Frankreichs Presse besorgt, nachdem sein jüngstes Werk "Die Unwissenheit" zuerst auf Spanisch, Italienisch, Englisch und Deutsch erschien - und erst drei Jahre später in Frankreich auf den Markt kam.
Milan Kundera hatte in Prag an der Karls-Universität Musik, Filmwissenschaften und Literatur studiert. Wie so viele Intellektuelle und Künstler begeisterte sich der junge Mann für den Marxismus. 1948 war er das erste Mal in die kommunistische Partei eingetreten, 1950 aber wegen "individualistischer Tendenzen" ausgeschlossen worden. Zwei Jahre später trat er wieder ein. Er war in der Zwischenzeit Dozent an der Filmfakultät geworden und veröffentlichte 1953 sein erstes Buch, den Gedichtband "Der Mensch: Ein weiter Garten".
Als Gymnasiast entdeckte er Apollinaire und Sartre
Milan Kunderas französisches Abenteuer begann ebenfalls in dieser Zeit. Als Gymnasiast entdeckte er Apollinaire, Sartre und die Surrealisten. Und als Kundera seinen ersten Roman "Der Scherz" schrieb, war es Frankreich, das dieses Werk sofort übersetzte und 1968 veröffentlichte. Während seine Bücher Ende der 60er Jahre mit einem Publikationsverbot belegt wurden, veröffentlichte der französische Verlag Gallimard sein Werk "Das Leben ist anderswo". Für dieses Buch erhielt Kundera, der zu den Hauptakteuren des "Prager Frühlings" gehörte und sich für einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" einsetzte, den französischen Prix Médicis für das beste ausländische Buch.
"So bin ich ein merkwürdiger französischer Autor in tschechischer Sprache geworden", ironisierte Kundera, der 1975 ein Ausreisevisum für einen Lehrauftrag für Literaturwissenschaft an der Universität Rennes erhielt und 1981 die französische Staatsbürgerschaft. Zuvor hatte ihm die Tschechoslowakei als Reaktion auf sein 1979 veröffentlichtes Werk "Das Buch vom Lachen und Vergessen" die Staatsbürgerschaft aberkannt. Das Buch beschreibt auf ironische Weise die Geschichte einer Emigrantin, die versucht Briefe ihres verstorbenen Mannes aus dem okkupierten Prag nach Paris zu schaffen.
Eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Prager Frühlings
Von einer Liebesgeschichte, die vor dem Hintergrund des Prager Frühlings spielt, handelt auch sein Bestseller "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", mit dem Kundera Mitte der 80er Jahre seinen internationalen Durchbruch erreichte. Vor allem der intelligente Witz und die Leichtigkeit, mit der der Autor politische, philosophische und erotische Motive miteinander verbindet, wurden von der internationalen Kritik gelobt.
Kundera bezieht seine Inspirationen, wie er oft genug betont, aus der Renaissance und aus der Aufklärung mit Boccacio, Rabelais, Sterne, Diderot, aber auch im Werk von Musil, Gombrowitz, Broch, Kafka und Heidegger. Nicht nur seine Verleger bezeichnen Kunderas Bücher zu Recht bereits als Klassiker des 20. Jahrhunderts und ihn als einen der ganz großen Romanciers in dessen zweiter Hälfte.
Die Kritik beklagt den Verlust an Spott und Ironie
"Die Unsterblichkeit" war Kunderas letzter in Frankreich auf Tschechisch geschriebener Roman. "Ich zog die Freiheit meiner Wurzeln vor. (...) Ich will mit der Sprache bleiben, in die ich verliebt bin", erklärte er und verfasste in französischer Sprache "Die Langsamkeit" und "Die Identität" - zwei Werke, die in Deutschland und Frankreich nicht dieselbe Aufnahme fanden. Während die deutsche Presse von Romanen mit "vollendeter Schönheit" sprach, beklagte Frankreichs Presse Kunderas Verlust an Spott und Ironie und fragte sich, ob Kundera in Frankreich den Sinn für Humor verloren habe.
"Er ist sehr sensibel und leicht verletzbar (...) Er genießt einen internationalen Ruf und bevorzugt, seine Bücher in Ländern zu veröffentlichen, die diese mit etwas mehr Distanz prüfen", erklärte einer seiner Freunde. Kunderas jüngstes Werk, "Die Unwissenheit", handelt von einer nach Paris ausgewanderten Frau aus Prag, die sich nach dem Umsturz 1989 die Frage stellt, warum sie nicht in ihre frühere Heimat zurückkehrt - eine Frage, die sich vielleicht auch Kundera schon öfter gestellt hat.