Der israelische Schriftsteller David Grossman hat bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels für eine Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern geworben. "Nur Frieden wird Israel ein Zuhause und eine Zukunft geben. Und nur Frieden wird es uns, den Israelis, ermöglichen, etwas zu erleben, was wir überhaupt nicht kennen: das Gefühl einer stabilen Existenz", sagte Grossman am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche.
Der 56 Jahre alte Romanautor und Essayist warnte vor Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in seinem Land, denn "jemand, der nicht mehr hofft, ist schon besiegt worden". Viele Israelis könnten sich "nach einem Jahrhundert voller Krieg" kein Leben in Frieden vorstellen. Er selbst habe Frieden nie erlebt, und doch sei er sich sicher, dass nur der Frieden es ermöglichen könne, dass sich Israel in der Welt zu Hause fühle. Er erinnerte daran, dass Israel seit der Staatsgründung 1948 keine festen Grenzen habe: "Das ist wie ein Haus, dessen Wände sich ständig bewegen und dessen Boden wackelt. Dort fühlt man sich nicht zuhause."
Grossman verwies auch auf die Situation der Palästinenser, die nach vielen Jahren der Unterdrückung durch Türken, Araber, Engländer und Israelis nach einem Leben in Souveränität, Freiheit und Demokratie hungerten. "Weder Israel noch Palästina wird eine sichere Heimat haben, wenn nicht auch der Nachbar sie hat", sagte Grossman. Das Schicksal beider Staaten sei miteinander verbunden, nur im Frieden könnten sich beide Völker erhalten.
David Grossman fordert seit den frühen 1980er Jahren einen Dialog und einen Friedensschluss zwischen den verfeindeten Völkern. Man müsse auch die Interessen der jeweils anderen Seite sehen, sagte er in Frankfurt. Er erinnerte auch kurz an den Tod seines Sohns Uri in den letzten Stunden des zweiten Libanon-Kriegs 2006: "Er war ein junger Mann mit Humor und Lebensfreude, so wie tausende andere in Israel, Syrien, Jordanien, Palästina auch."
Laudator Joachim Gauck nannte den Preisträger einen inspirierenden Menschen. Bewundernswert an Grossman seien "Unbestechlichkeit, Mut, die Bereitschaft zur unerschrockenen Wahrnehmung dessen, was ist, und der feste Wille, nicht aufzugeben, wo andere verzagen", sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler und ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für die Stasi-Unterlagen. Grossman setze sich unermüdlich ein für den Dialog zwischen den verfeindeten Seiten. "Er erhält den Friedenspreis dafür, dass er sich unverdrossen weigert, Teil einer Vergeltungsmechanik zu sein", sagte Gauck.
Er erinnerte an seine eigene Vergangenheit in der DDR und zitierte Grossman, wonach man "allein durch die Auseinandersetzung mit Willkür" individuelle Freiheit bewahren könne. "Es gibt ein richtiges Leben im falschen", sagte Gauck. Die Bücher Grossmans seien eine Anleitung dafür. Der engagierte und im eigenen Land durchaus umstrittene Schriftsteller zeige auch, dass sich Loyalität zu Israel mit Kritik an Israel durchaus verbinden lasse. "Du stehst Goliath gegenüber, angetan nicht einmal mit einer Steinschleuder, aber du bist David", schloss Gauck an Grossman gewandt.
Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird seit 1950 vergeben. Er ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Verleihung findet traditionell am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse statt.