Vom Ringer zum Bestsellerautor John Irving feiert seinen 70. Geburtstag

John Irving versteht es, anspruchsvolle Literatur an ein großes Publikum zu verkaufen. Fast alle seiner Romane wurden Bestseller, fünf kamen auch ins Kino. Jetzt wird der Schrifsteller 70 Jahre.

Zwölf Romane hat John Irving bisher geschrieben. Sein nächster Titel, "In One Person", erscheint im Mai. Wie sehr der US-Schrifsteller auch und gerade in Deutschland geschätzt wird, zeigt, dass das Buch dies- und jenseits des Atlantiks zeitgleich in den Handel kommt. Irvings Werk ist in 30 Sprachen übersetzt. Fünf seiner Bücher wurden verfilmt. Das Drehbuch zu "Gottes Werk und Teufels Beitrag" brachte ihm sogar den Oscar ein. An diesem Freitag, 2. März, feiert Irving seinen 70. Geburtstag.

In der Literatur wird John Winslow Irving als "Meister der Erzählkunst" verehrt. Er gehört zu den wenigen Autoren, die hohe literarische Qualität an eine große Leserschaft verkaufen. Dass er daheim umstrittener ist als in Europa, liegt an politischen Themen wie Abtreibung, Vietnamtrauma, Präsidentenmord und Apathie der Bürger, die er behutsam, aber auch nicht zimperlich anpackt.

Ebenso mutig lässt er sich über Inzest, Pädophilie und homo- sowie transsexuelle Neigungen aus. Dass die Filme, die auf seinen Büchern basieren, trotz Starbesetzung nicht immer den verdienten Kassenerfolg bringen, ist kaum verwunderlich. Bei Besuchen in Europa beklagte sich Irving mehrfach über die "puritanischen und verklemmten" Amerikaner. Seit einem Studienjahr in Wien spricht er recht gut Deutsch.

Erst steht das Konzept, dann beginnt das Schreiben

Irvings schreibt moderne Romane in traditioneller Erzählmanier, aber alles andere als konventionell: Es sind wuchernde Geschichten, die den Leser in atemberaubend phantasievoller Wendigkeit von einer Überraschung zur nächsten jagen. Für ihn ist das Feuerwerk der Ideen geplante Sache: "Für jeden neuen Roman entwerfe ich zunächst ein genaues Konzept und kenne das Ende, bevor ich zu schreiben beginne." Sowie in seinem Kopf der letzte Satz geschrieben ist, macht er sich daran, die Story handschriftlich auf Papier zu bringen.

Er ist der Verfasser so turbulenter Romane wie "Garp und wie er die Welt sah" (dt. 1979), "Die wilde Geschichte vom Wassertrinker" (dt. 1989), "Das Hotel in New Hampshire" (dt. 1982) und "Owen Meany" (Diogenes Verlag, Zürich), "Witwe für ein Jahr" (dt. 1999) und "Letzte Nacht in Twisted River" (dt. 2010).

Dabei führt Irving in dem beschaulichen Neuenglandstaat Vermont "ein sehr geregeltes Leben". Er halte es mit Gustave Flaubert, sagt Irving und zitiert den französischen Autor aus dem 19. Jahrhundert in gebrochenem Deutsch: "Man muss im Leben sehr ruhig sein, damit man in den Romanen lauter schreien kann." Irving ist mit Günter Grass befreundet und ehrt ihn als einen Schriftsteller, der ihn besonders beeinflusst beeinflusst hat. Ähnliches sagt er von Kurt Vonnegut, Gabriel Garcia Marquez und Salman Rushdie.

Irving als Schriftsteller und Ringer

Dass er häufig zu Gast in den Krankenhäusern von Neuengland ist, liegt nicht am Alter. Irving ist Ringer und sagt, es gebe wenige Gliedmaßen, die er sich auf der Matte nicht schon verrenkt oder gebrochen hat. Er selbst trainierte seine drei Söhne zu New England Champions der A-Liga. Nach dem Auszug des Jüngsten ringt er oft mit einer schweren, lebensgroßen Puppe. "Inzwischen ist die besser als ich, weil sie nie müde wird".

Irving hat den eigenen Vater nie gekannt und wuchs im Haus des Stiefvaters auf. Er erhielt nach der Adoption als Sechsjähriger den Namen, unter dem er berühmt wurde. Dieser Hintergrund läßt ihn in seinen Büchern immer mit bitterem, oft absurdem Witz über seltsame Familienverhältnisse schreiben.

In seinem elften Roman, "Bis ich dich finde" (dt. 2006), sucht Jack Burns als Junge und später auch als gefeierter Hollywoodstar nach seinem Vater. Das über 1100 Seiten lange und 117 Charaktere umfassende "Opus maximum" ("New York Times") verrät mehr von dem Menschen John Irving als alle anderen Werke zuvor, darunter auch, dass er als Elfjähriger von einer älteren Frau verführt wurde.

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Von Gisela Ostwald, dpa