"Back to Gaya" Schöne neue Welt aus Hannover

"Shrek"-Moment für Hollywood: "Back to Gaya", der erste deutsche Film aus dem Computer, ist ein technisch brillanter Spaß.

Lenard Fritz Krawinkel war auf der Waldorfschule und fährt einen roten Porsche, was beides eines gewissen Muts bedarf. Und dass er den hinreichend besitzt, hat der Filmemacher nun eindrucksvoll belegt: Er schuf "Back to Gaya", den ersten komplett Computer-animierten Film aus Deutschland, und bietet den amerikanischen Schöpfern von "Shrek" und "Findet Nemo" die Stirn. Ein alter Freund, der Produzent Holger Tappe, hatte das Startkapital beschafft - mit einer Erbschaft. 14 weitere Finanziers, unter anderen Jeremy Thomas ("Der letzte Kaiser"), beteiligten sich, sodass sich Krawinkel mit einem Haufen Computerfreaks für vier Jahre in einer alten Villa einnisten und loslegen konnte. In Hannover. Jener tristen Stadt, in der so wenig passiert, dass am Bahnhof immer noch Schilder von der Expo 2000 künden.

Kino aus Deutschland ist zurzeit nicht arm an solch wundersamen Geschichten. Wie etwa der vom studierten Philosophen aus Leverkusen, waschechten Wessi, der ein Drehbuch über eine DDR-Familie schreibt, das jahrelang in der Schublade liegt, um dann später zum preisgekrön-ten Publikumsrenner "Good Bye, Lenin!" verfilmt zu werden. Oder der vom rebellischen Deutschtürken, der einen kleinen schmutzigen Liebesfilm mit dem Titel "Gegen die Wand" dreht und als Last-Minute-Teilnehmer den Goldenen Bären der Berlinale gewinnt.

Nun die von Lenard Fritz Krawinkel, 38. Der hat zuerst Medizin studiert, wechselte später in die Fernsehbranche und legte dann mit "Sumo Bruno" ein liebenswertes Kinodebüt hin. Rund 75 Mitarbeiter hat er für "Back to Gaya" aus ganz Deutschland rekrutiert, Architekten, Industriedesigner, Grafik-Designer, Informatiker.

Das Equipment, darunter ein 350 Kilo schwerer Supercomputer, wurde zum Teil aus abgelaufenen Leasing-Verträgen von US-Banken ersteigert und per Containerdampfer nach Deutschland verschifft. Rechner, deren Leistung für die Simulation von Atombombenexplosionen oder Erdbeben ausreichen - der Transformator schluckt so viel Strom wie 80 Vier-Personen-Haushalte.

Das schafft Möglichkeiten

, die ein konventioneller Dreh niemals bieten könnte. Und so schwärmt auch Krawinkel: "Keine Limits zu haben ist toll für einen deutschen Regisseur. Du sagst einfach, ich nehme jetzt die Kameraperspektive 300 Meter von oben, und dann fahren wir an den Häuserschluchten entlang. Das könnten wir uns sonst nie erlauben mit dem Budget. Das ist sehr befreiend."

Die Freiheit nutzte er und schuf ein technisch brillantes Werk. Leider hält sein Film inhaltlich nicht ganz mit. Die Geschichte um die koboldartigen TV-Serienhelden Buu (gesprochen von Bully Herbig) und Zino, die den Sprung in die reale Welt wagen, weil ein böser Professor ihre Energiequelle entführt hat, zwickt an allen Ecken und Enden - die federnde Leichtigkeit der Pixar-Produktionen erreicht "Back to Gaya" kaum. Es geht um Selbstbestimmung, Ich-denke-also-bin-ich-Philosophie und - wenn TV-Zuschauer unter einer Popcorn-Lawine begraben werden - sogar um Medienkritik, was die jugendliche Zielgruppe wohl eher unbeeindruckt lassen wird.

Sympathisch ist der Film trotzdem

, ein großes Abenteuer mit viel rasanter Action - Autorennen, Flucht vor einer Abrissbirne, Kampf gegen ein Rattenheer -, alles bis ins Detail großartig animiert. Und wer genau hinsieht, entdeckt in der schmuddeligen Großstadt, die ziemlich viel von Hannover hat, sogar einen verbeulten roten Porsche.

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Matthias Schmidt

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