"Capote" Trumans letzter Fall

  • von Kathrin Buchner
Als abstoßend faszinierende Persönlichkeit lässt Philip Seymour Hoffman den Schriftsteller Truman Capote lebensecht auferstehen. Dafür hat er den Oscar als bester Schauspieler bekommen.

Der Film "Capote" beleuchtet den Wendepunkt im Leben des Schriftstellers Truman Capote, die Phase, in der er endgültig zum hellsten Stern in Manhattans Literaturszene aufstieg und gleichzeitig sein innerer Glanz verlöschte. Er rekapituliert die Entstehungsgeschichte von Capotes Bestseller "Kaltblütig", noch heute Standardlektüre im Englisch-Unterricht, der durch moralischen Verrat entstand: Der Autor hat das Vertrauen, das ein anderer Mensch ihm entgegen gebracht hat, zu seinem eigenen Vorteil missbraucht. Vermindert wird die Schuld lediglich dadurch, dass es sich bei dem "Missbrauchten" um einen Mörder handelt, der vier Menschen auf dem Gewissen hat.

Die Geschichte beginnt 1959 im glitzernden Manhattan und zeigt den 35-jährigen Truman Capote (Philip Seymour Hoffman). Nach seinem Erfolg mit "Frühstück bei Tiffany" steht er im Mittelpunkt jeder Party - trotz oder gerade wegen seiner näselnden Fistelstimme und seinem egozentrischen Gebaren. In der Zeitung liest er einen kurzen Artikel über den Raubmord an einer vierköpfigen Familie in Kansas und beschließt, darüber zu schreiben. In Begleitung seiner Recherche-Assistentin Nelle Harper Lee (Catherine Keener) fährt er ins das Provinzstädtchen Holcomb. Noch ahnt er nicht, welche Kraft ihn seine in launiger Runde ausgeplauderte Projektidee kosten wird. Ursprünglich wollte er lediglich eine Reportage über den sinnlosen Mord schreiben, auf einer Party entsteht die Idee eines Romans, der allein auf Tatsachen beruht. Und dafür schnüffelt er auch schon mal in der örtlichen Leichenhalle herum.

Gefängnisgitter, aus denen sich Capote nicht befreien wird

Der eigentliche Kern der Handlung spielt sich im Gefängnis ab, in der drückenden Enge hinter Gittern passiert der Verrat, von dem sich Capote Zeit seines Lebens nicht mehr befreien wird. Das sind die eindrucksvollsten Sequenzen des Filmes, wenn der Schriftsteller ganz allein mit dem Mörder kommuniziert. Zu Perry Smith, dem gesprächigeren der beiden Todeskandidaten, entwickelt Capote ein freundschaftliches, ja geradezu intimes Verhältnis - ein zwiespältiger Charakter, dem es hervorragend gelingt, sich sanftmütig und als Opfer der Gesellschaft darzustellen. Im Gegensatz zu seinem viel stoischeren Kumpanen Dick Hickock ist der von Indianer abstammende, gut aussehende Killer Perry nämlich beinahe so ein Blender wie Truman, dessen professionelle Interessen sich angesichts ähnlicher tragischer Kindheitserfahrungen bald in starken Emotionen verwandeln. "Wir, Perry und ich, sind im gleichen Haus aufgewachsen, nur nahm er die Tür hinten raus, während ich durchs Hauptportal ging", hat Capote einst selbst offenbart.

Mörder wird zum Opfer

Regisseur Bennett Miller gelingt es meisterhaft, den Zuschauer in die emotionalen Wechselbäder hinein zu ziehen. Es beschleicht einen das perfide Gefühl, dass auf einmal der Täter zum Opfer wird. Perry, der von Capote benutzt wird. Capote wiederum, der sich einerseits bereichert an der Geschichte der Hinterwäldler, die aus Habgier zu Mördern werden, aber auf den sich die letzten Hoffnungen der zum Tode Verurteilen konzentrieren. Schließlich verhilft der Schriftsteller ihnen zu juristischem Beistand und Aufschüben der Hinrichtung. Obwohl Truman selbst an den ständigen Aufschüben immer mehr leidet. Das Bedürfnis, Perry hängen zu sehen, um sein Buch zu beenden und sein sowieso schon fragiles und angekratztes Seelenheil wieder zu erlangen, macht Capote regelrecht krank.

Am Ende gewinnt nur die Literaturwelt

Als Capote zusieht, wie Perry gehängt wird, scheint auch etwas in Truman Capote zu sterben. Als "Kaltblütig" 1966 erscheint, wird es als literarische Sensation frenetisch gefeiert. Capote aber ertränkt sein Leiden in Alkohol. Am Ende bleiben Verlierer auf beiden Seiten. Die Mörder verlieren ihr Leben, der Schriftsteller verliert seine Lebensenergie an sein Werk, kurz vor seinem 60. Geburtstag stirbt er an einer Überdosis Tabletten. Vielleicht der einzige Gewinner ist die Literaturwelt, die ein großes Werk geschenkt bekommt: "Kaltblütig" - das Buch ist ein Meilenstein. Und dieser Film ist nicht nur eine unglaublich subtile und facettenreichen Studie der Persönlichkeit Capotes, er weckt vor allem Interesse an diesem literarischen Genie, das an der selbst gestellten Aufgabe zerbricht.

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