Schon die Literaturvorlage spaltete die Kritiker wie Moses das Meer: Charlotte Roches "Feuchtgebiete" löste 2008 eine Debatte aus: War das noch Literatur - oder reiner Schund? Wenig verwunderlich, dass die Filmadaption ähnlich kontrovers aufgenommen wird. Das sagen die deutschen Feuilletons.
"Frankfurter Rundschau"
Einen weiten Bogen von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart schlägt Daniel Kothenschulte in seiner begeisterten Kritik in der "Frankfurter Rundschau". Damals sei filmische Erotik hoch entwickelt gewesen. In den 60er Jahren sei sie noch einmal aufgeblitzt - und dann verschwunden. Bis "Feuchtgebiete" kam: "Endlich knüpft wieder ein Film an diese Freiheit an. Und dann geht plötzlich alles." Für die Leinwandadaption bricht er eine Lanze: Den filmischen Mehrwert bleibe der Regisseur in keiner Szene schuldig.
Erste Einblicke in die Ekelverfilmung

Im Mittelpunkt des Buches steht die 18-jährige Helen Memel, die mit einer Analfissur im Krankenhaus liegt und dort über ihre sexuellen Erfahrungen und Körperhygiene nachdenkt.
Das Buch ist nun verfilmt worden und kommt am 22. August in die deutschen Kinos. Vorab wird der Streifen am Sonntagabend auf dem Filmfestival in Locarno gezeigt. Regie führt David Wnendt, der im vergangenen Jahr mit dem in der Neonazi-Szene angesiedelten Spielfilm "Kriegerin" sein erfolgreiches Debüt feierte.
Die ersten Filmbilder sind bereits veröffentlicht, sie zeigen die Richtung an: Es wird schmutzig, ekelig und explizit.
"taz"
Der Film rette einiges vom emanzipatorischen Potenzial des Buches und sei handwerklich besser als das Buch, freut sich Kirsten Riesselmann in der "taz". Regisseur David Wnendt habe seine schwierige Aufgabe nach Kassenschlagerkriterien souverän gelöst. "Er weicht den knalligen 'Iiih, bäh, wow'-Szenen des Buchs nicht aus, sondern gibt der Meute, was sie will. Nicht zu wenig, nicht zu viel." Am Ende bleibt ein zwiegespaltenes Urteil: "Letztlich ist dieser so skandalöse Film genau wie das so skandalöse Buch nur in homöopathischen, rein dekorativen Dosen skandalös. Und damit entsetzlich mutlos."
"Süddeutsche Zeitung"
Auch Tobias Kniebe zeigt sich in der "Süddeutschen Zeitung" prinzipiell angetan. Im Verlauf des Films reagiert er jedoch zunehmend genervt auf die Infantilität der Hauptfigur und resümiert schließlich: "Weil dieses aber ein deutscher Film ist, mündet das dann eben wieder zwangsläufig ins ewige Hamsterrad des deutschen Problemfilms."

"Die Welt"
Doch es gibt negative Kritiken. "Eine Geschmacksprobe der besonderen Art", hat etwa Peter Praschl auf "welt.de" gesehen. "So bleibt der Film über weite Strecken ein Gruselspaß für jüngere Menschen, der mit Tabubruch und dem Austesten von Igitt-Grenzen operiert. Solide Unterhaltungsware mit beherzten Special Effects und schönen Schauspielerleistungen."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Unter der Überschrift "Mozart zur Intimrasur" zeigt sich Felicitas von Lovenberg in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ziemlich entsetzt: "Dieser Film ist eine Zumutung, ein Anschlag auf die Sinne, ein Ausreizen des persönlichen Ekels. Man sollte kurz vorher lieber nichts gegessen oder getrunken haben; während des Films bleibt einem ohnehin alles im Halse stecken." Am Ende ist das Urteil eindeutig: "Es hätte der Verfilmung dieses Romans nicht bedurft."