"Flags of Our Fathers" Demontage eines Heldenbildes

Ist in einem Krieg die Kampfmoral auf dem Rückmarsch, dann müssen starke Bilder her: 1945 machte ein Bild Furore, auf dem US-Soldaten die amerikanische Flagge hissen. Clint Eastwood widmet sich in "Flags of Our Fathers" einem Fall politischen Schmierentheaters.

In modernen Kriegen werden keine Helden geboren, umso mehr aber Heldenlügen. Was eines der berühmtesten Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg zeigt und was es wirklich mit diesem Dokument auf sich hat, ist das Thema von Clint Eastwoods neuem Film "Flags of Our Fathers". Es geht um jenes Foto, das Joe Rosenthal, Bildreporter von Associated Press, im Februar 1945 während der verlustreichen Kämpfe auf der Pazifikinsel Iwo Jima von sechs US-Soldaten aufnahm.

Die sechs Männer, fünf Marine-Infanteristen und ein Sanitäter, hissten damals das Sternenbanner auf dem Mount Suribachi, den die Amerikaner nach erbitterten Kämpfen gegen die japanischen Verteidiger in ihren Besitz gebracht hatten. Der 2006 im Alter von 94 Jahren gestorbene Rosenthal machte im Bruchteil einer Sekunde nicht nur das Bild seines Lebens, sondern schrieb auch Geschichte: Denn als AP das Foto siebzehneinhalb Stunden später um die Welt schickte, wurde es zum Symbol des amerikanischen Triumphes, aber auch zur willkommenen Propagandamunition an der kriegsmüden Heimatfront.

Es kann Eastwood gar nicht hoch genug angerechnet werden, dass er nun die Tragödie und die Lüge hinter dem Foto zeigt, das sogar zur Vorlage eines gigantischen Heldendenkmals wurde. Und es ist eine menschliche wie filmische Großtat des mehrfachen Oscar-Preisträgers, mit dem gleichzeitig entstandenen Film "Briefe aus Iwo Jima" das blutige Kriegsgemetzel auch aus japanischer Sicht zu zeigen. Für diesen Film, der in Deutschland am 22. Februar anläuft, wurde Eastwood zusammen mit "Flags of Our Fathers" von der Auslandspresse in Hollywood für den Golden Globe in der Sparte Regie nominiert.

Verlogene Inszenierung und Eastwoods Mut

Kassenhits werden beide Streifen nicht, in den USA hat das Drama um das AP-Bild nicht mehr als 33 Millionen Dollar eingespielt. Aber für einen Mann vom Rang und der Unabhängigkeit Eastwoods sind kommerzielle Erfolge nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Denn der ehemalige Westernheld arbeitet längst an seinem Nachruhm. Und den wird er mit dem Doppelwerk über die Ereignisse von Iwo Jima mehren.

Gewiss ist der Film mit seinen vielen Rückblenden und Zeitsprüngen keine einfache Kinokost. Und eine Figur, mit der sich der Zuschauer vorbehaltlos identifizieren könnte, gibt es auch nicht. Dafür aber zeigt Eastwood den Krieg als das, was auch der gerechteste Feldzug ist: Eine entsetzliche Schlächterei, bei der selbst die Überlebenden nicht ohne unheilbaren Wunden in der Seele davonkommen. Drei der sechs Männer, die 1945 die US-Flagge auf dem fernen Eiland aufrichteten, wurden bald darauf in den anhaltenden Kämpfen getötet. Die anderen drei Soldaten aber erlebten ihre Abkommandierung in die Heimat, um dort als Helden der Nation herumgereicht zu werden und, was für die Initiatoren der Kampagne ungleich wichtiger war, beim begeisterten Publikum für die Zeichnung von Kriegsanleihen zu werben.

John Bradley, der indianischstämmige Ira Hayes und Rene Gagnon, der übrigens nie eine Waffe benutzen musste als Feldkurier, spielten ihre Heldenrolle nach außen hin perfekt. Aber sie wussten nur zu genau, wie verlogen die Inszenierung war, an der sie da mitwirkten. James Bradley, der Sohn des Sanitäters, hat 2000 einen Bestseller über das Schicksal seines Vaters verfasst. Die Rechte an dem Buch erwarb Steven Spielberg, der nun Eastwood die Verfilmung überließ. Das war eine gute Entscheidung, auch wenn im Schatten des Irak-Desasters ein so kritischer Rückblick auf einen ungleich populäreren amerikanischen Krieg fast schon tollkühn erscheint. Aber Clint Eastwood scheut keine Herausforderung mehr.

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Wolfgang Hübner/AP

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