Im Frühsommer 1945 war Berlin gewiss die gespenstischste Hauptstadt der Welt. Die deutsche Metropole lag nach dem schmählichen Ende der Nazi-Herrschaft und der Eroberung durch die Rote Armee in Trümmern, geteilt in vier Besatzungszonen und war in Erwartung jener Postdamer Konferenz der Siegermächte, die über das weitere Schicksal Deutschlands und Berlins Entscheidungen von historischer Tragweite treffen sollte. In dieser Situation kehrt der amerikanische Journalist Jake Geismer in Uniform zurück in die Stadt, in der seine große Liebe zurückblieb, als die USA gegen das Hitler-Reich in den Krieg zogen.
Geismer ist der Held des ungewöhnlichen neuen Films "The Good German", der bereits im Wettbewerb der Berlinale zu sehen war. Dort hat der Nostalgie-Thriller eher enttäuscht. Denn trotz vieler Vorzüge fällt der Film doch zu sehr aus unserer Zeit, um mehr zu sein als die ambitionierte Mut- und Talentprobe eines Regisseurs, der nach Kinohits, Kassenflops und einem Oscar eine weitere Herausforderung gesucht hat. Soderbergh und sein Lieblingsschauspieler George Clooney haben mit "The Good German" ganz offensichtlich ihre spezielle Variante des Klassikers "Casablanca" in Szene gesetzt - in Schwarz-Weiß und mit der Kameratechnik von 1945.
Sie schlägt sich als Prostituierte für Besatzungssoldaten durch
Clooney verkörpert in der an Wendungen reichen Geschichte jenen Geismer, der über das Treffen von Truman, Churchill und Stalin berichten soll. In der Trümmerlandschaft der gedemütigten Stadt begegnet der Amerikaner Lena Brandt wieder, die vor dem Krieg seine Geliebte war. Damals war der Reporter in Uniform noch Chef des AP-Büros in Berlin, und die verheiratete Deutsche arbeitete als Redakteurin für Geismer. Dessen Sehnsucht nach Lena hat die Jahre überdauert. Doch alles ist anders geworden - besonders bei der schönen Frau, die sich nach schrecklichen Demütigungen jetzt als Prostituierte für Besatzungssoldaten durchschlägt.
Tobey Maguiere als schlitzohriger Corporal
In der Rolle der Lena ist Cate Blanchett zu sehen. Die vielbeschäftigte Australierin versucht sich in der Originalfassung, ebenso wie Clooney, tapfer an der deutschen Sprache, weil das Drehbuch das nämlich so will. Lena ist von etlichen Geheimnissen umgeben. Eines davon kostet schon bald den leichtsinnigen Fahrer Geismers das Leben. Tully heißt dieser schlitzohrige Uniformträger, so intensiv gespielt von Tobey Maguire, dass man das frühe Ausscheiden dieser interessanten Figur richtig bedauert.
Vorbild "Casablanca"
Was aber ist mit Lenas Mann, der eine wichtige Rolle im Raketenprogramm der Nazis hatte? Ist er wirklich tot? Das interessiert die Amerikaner ebenso brennend wie die Russen, denn der Kalte Krieg zeichnet sich schon ab. Das dunkelste Geheimnis trägt Lena allerdings in sich selbst. Und sie wird es Geismer erst offenbaren, wenn das Flugzeug bereit steht, um die Deutsche ins sichere Ausland zu bringen. In dieser Szene holen Soderbergh und Clooney, die eine gemeinsame Produktionsfirma betrieben, den filmgeschichtlichen Holzhammer hervor, um allen zu zeigen: Das ist unser ganz spezielles Finale á la "Casablanca"! Somit wäre also Jake Geismer kein anderer als jener Rick alias Humphrey Bogart, der auf Ilsa alias Ingrid Bergman in dem Klassiker bekanntlich verzichtet. Ob es zwischen Geismer und Lena doch noch ein Happy End geben wird, ist so ungewiss wie der Ausgang der großen Liebe in dem Film von 1943, der zum Glück nie eine Fortsetzung auf der Leinwand fand.
Besser: "The Good American"
Gewiss ist allerdings, dass der Titel des Films viel korrekter, aber halt auch viel unspektakulärer "The Good American" heißen müsste. Denn ein solcher "guter Amerikaner" ist Clooney mit seinen markanten Gesichtszügen und der sonorsten Stimme westlich von Berlin zweifellos. Hingegen entkommt der, von dem im Titel und auch einmal in der Handlung die Rede ist, nie ganz dem Zwielicht der Vergangenheit und endet ganz folgerichtig nicht gut. Soderbergh hat handwerklich gute Arbeit geleistet, es gibt atmosphärisch sehr dichte, emotional anrührende Szenen in dem Film. Und Cate Blanchett beweist ihre Vielseitigkeit ein weiteres Mal. Doch so rechte Freude will nicht aufkommen bei der Konfrontation mit jenem Berlin in Trümmern, das nun wieder eine der weltweit besonders beliebten Adressen geworden ist. "Casablanca" war eine Sternstunde der Filmgeschichte. "The Good German" wird in dieser wohl nicht mehr als meine interessante Fußnote sein.