Nach fünf Stunden "Avengers" - anlässlich der Mitternachtspremiere von "The Age of Ultron" gab es Teil eins und zwei im Doppelpack - habe ich Folgendes gelernt: Tony Stark sollte man immer nur in Ein-Film-Portionen genießen. Der Großkotz geht einem ab Stunde drei schon gewaltig auf die Nerven. Scarlett Johansson kann machen, was sie will. Archäologen, die in hundert Jahren unsere Überreste finden, werden sie für eine unserer Göttinnen halten. Und ein für alle Mal: Regisseur Joss Whedon ist ein Genie. Das kapieren jetzt hoffentlich auch die, die "Buffy the Vampire Slayer" und "Firefly" nicht kennen. "Avengers - Age of Ultron" ist ein perfekt designtes, hochpoliertes, knallendes, rumsendes Stück Unterhaltungskino. Mehr geht geht nicht.
Dabei hätte diese All-Star-Band-Geschichte, dieses Märchen über einen Haufen von Egomonstern, ganz leicht schief gehen können. Doch Iron Man (Robert Downey Jr.), Hulk (Mark Ruffalo), Thor (Chris Hemsworth), Captain America (Chris Evans), Black Widow (Scarlett Johansson) und Hawkeye (Jeremy Renner) sind schon wieder das Dreamteam. Als würden Schweinsteiger, Ronaldo und Messi mit Beckham Erde, Himmel, Wasser und ein bisschen Universum als Spielfeld benutzen, in perfektem Einklang. Und dann kommt auch noch Zinedine Zidane vorbei.

Ultron: der lustigste unter den bösen Robotern
Natürlich sieht es zu Beginn so aus, als wären die Marvel-Superhelden absolut teamunfähig. Allen voran Ironman Tony Stark, der permanent jemandem verbal den Kopf ins Brustbein rammt. Aber dann ist die Bedrohung doch wieder groß genug, so dass man sich zusammenrauft - und Bruce Banner sogar seinen Hulk ein bisschen unter Kontrolle bringt.
Die Bedrohung heißt Ultron und ist ein smarter, geradezu gutaussehender Roboter. Wo er herkommt, müssen Sie selbst sehen. Aber was für eine künstliche Intelligenz! "Age of Ultron" zeigt, dass das so beliebte Forschungs- und Fantasiegebiet sich auch im Kino weiterentwickeln darf. Ultron hat einen wunderbaren Humor, so dass man als Zuschauer diesem ultimativ Böse ganz schnell erliegt. Ja, er will die Welt zerstören, aber er ist dabei fast so liebenswert wie der depressive Raumschiffroboter Marvin in "Per Anhalter durch die Galaxis".
Quicksilver und Scarlet Witch
Apropos liebenswert: In seiner Liebe zum Detail erinnert "Avengers" fast schon an die guten alten Disney-Filme, in denen quirlige, knuffige Kleincharaktere dem großen Schokobonbon die süße Füllung geben: Thomas Kretschmanns ("Mogadischu") Nazi hätte zwar mehr Verve vertragen, dafür hat Andy "Gollum" Serkis einen unvergesslichen Auftritt als fieser, südafrikanischer Waffenhändler. Und natürlich gibt es "die Neuen": Quicksilver und Scarlet Witch (Aaron-Taylor Johnson und Elizabeth Olsen), die sich an Tony Stark rächen wollen. Aaron-Taylor Johnson ist schon wieder so eine Augenweide, dass man in seiner Karriere am liebsten vorspulen möchte, um noch viel mehr von ihm zu sehen. Allerdings werde ich nie darüber hinwegkommen, dass Robin aus "How I met your Mother" (Cobie Smoulders) Shield-Agentin sein soll.
Aber die Actionszenen trösten einen über alles hinweg. Kaum zu glauben, aber es geht immer noch ein bisschen krasser. Deshalb vermisse ich um halb drei Uhr nachts, nach dem Abspann, nicht nur Ultron, sondern erschrecke mich auch über die Stille der Berliner Nacht.
Wie es mit den "Avengers" weitergeht: Nächstes Jahr kommt "Captain America 3", 2017 der nächste "Thor" und ab 2018 geht es weiter mit dem "Avengers"-Zweiteiler "Infinity War".