"There Will Be Blood" Ein Film wie die Apokalypse

  • von Kathrin Buchner
Einen Golden Globe hat Daniel Day-Lewis für die Darstellung eines Ölmoguls in Paul Thomas Andersons neuem Werk "There Will Be Blood" schon bekommen. Das apokalyptische Epos um Gier, Macht und Religion wird ebenfalls als heißer Favorit für den Berlinale-Bären und den Oscar gehandelt.

Das Schreien eines Kindes ist der erste menschliche Laut, nachdem der Film bereits eine Viertelstunde gelaufen ist - abgesehen vom Jammern des in einem Bergstollen liegenden Mannes. Daniel Plainview tupft seinem Sohn einen Ölfleck auf die Stirn. Es mutet an wie ein Kainsmal, ein Unglücksbringer - denn die Gier nach dem schwarzen Gold wird den kleinen H.W. (Dillon Freasier) sein ganzes Leben begleitet, sein Vater wird dafür über Leichen gehen.

Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) wütet wie ein Berserker. Hände und Gesicht sind mit Dreck und Öl verschmiert, seine Fingernägel haben schwarze Ränder. Schmerz, Entbehrungen, harte Typen in einer steppenartigen, kargen Landschaft. Frauen kommen in dieser Geschichte nur am Rande vor. Es ist eine harte, archaische Männerwelt, die Regisseur Paul Thomas in seinem opulenten Werk "There Will Be Blood" beschwört.

Es ist die Welt der Pioniere, der hemdsärmeligen, skrupellosen Unternehmer. Es ist der Beginn des Kapitalismus und es herrscht Goldgräberstimmung im Amerika am Ende des 19. Jahrhunderts - meilenweit entfernt von der romantischen Abenteuerstimmung im klassischen Western.

Porträt eines Menschenhassers

Doch als Sittengemälde ist Andersons Film nicht angelegt. Auch wenn der Zuschauer ein sehr anschauliches Bild vom Geist dieser Zeit bekommt, vom puritanischer Prüderie, von der Doppelzüngigkeit zwischen Frömmigkeit und Habgier. Es ist vielmehr das Porträt eines Menschenhassers, eines skrupellosen Geschäftsmannes, dessen unsägliche Gier nach Macht und Geld ihn selbst und alle Menschen, die mit ihm zu tun haben, in den Abgrund treibt.

Das kleine Dorf Boston im Westen Kaliforniens ist der Ort, an dem sich das Schicksal für Plainview wendet. Nachdem er schon ganz gut an Silber- und Ölvorkommen verdient hat, steht eines Tages Paul (Paul Dano) in seinem Büro und erzählt ihm von Öl im Boden der heimatlichen Farm in Little Boston. Dort gelingt Plainview der ganz große Coup. Dafür opfert er seinen Sohn, der bei einem Bohrunfall sein Gehör verliert. Dort beginnt das Kräftemessen mit dem besessenen Priester Eli (ebenfalls Paul Dano). Er soll den Zwillingsbruder von Paul darstellen, der mittlerweile die Familie verlassen hat - eine Schwachstelle im Film, für den Zuschauer kaum nachzuvollziehen.

Paul Dano erweist sich als ebenbürtiger Gegenspieler

Dieser Eli entwickelt sich zum Gegenspieler von Plainview. An ihm hängen sich die großen, universellen Themen des Films auf. Schuld und Sühne, Doppelmoral, Religiosität, Habgier. Der apokalyptische Showdown auf der Bowlingbahn ist schon jetzt eine Szene, die in die Filmgeschichte eingehen wird.

Und das Kino hat einen neuen Shootingstar: Paul Dano, gerade mal 23 Jahre jung. In "Little Miss Sunshine" spielte Dano den Teenie-Sohn im Sprechstreik, jetzt ist er der Teufelsaustreibungen praktizierende Priester und erweist sich als ebenbürtiger Schauspielerpartner für den herausragenden Day-Lewis.

Day-Lewis spielt nicht nur Daniel Plainview, er ist Daniel Plainview. Mit jeder Faser seines Körpers. Manch einer mag das Pathos kritisieren, mit der Day-Lewis sich in die Figur des Ölmoguls stürzt. Doch erst dadurch entsteht diese klaustrophobische, zerstörerische Energie des Films.

Filmmusik von Radio-Gitarrist Jonny Greenwood

Einen Oscar hätten sowohl Day-Lewis, Dano Regisseur Anderson, vor allem aber Jonny Greenwood, Gitarrist von Radiohead, verdient. Seine pointierte, knarzige, akzentuierte Filmmusik hat entscheidenden Anteil am Charakter des Films. Sie verleiht diesen unglaublich schönen Bildern von verwachsenen Ölbäumen, von edlen Pferden, von steilen Bohrtürmen vor dem tiefblauen kalifornischen Himmel erst diese Tragik, diese Dramatik.

Manch Purist mag zwar beklagen, dass "There Will Be Blood" schon während der Berlinale ins Kino kommt. Für den Kinozuschauer birgt es das Privileg, sich über des Kritikers Darling für den Goldenen Bären schon vor der Preisvergabe ein eigenes Urteil bilden zu können. Denn ob dieses monumentale apokalyptische Drei-Stunden-Opus an den Kinokassen besteht, ist zweifelhaft.

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