Der weltweit erfolgreiche französische Pantomime Marcel Marceau ist im Alter von 84 Jahren in Paris gestorben. Als weiß geschminkter Clown Bip, mit roter Blume im Hut und schwarz-weißem Ringelhemd eroberte Marceau die Herzen der Menschen. Er galt als einer der berühmtesten Pantomimen der Gegenwart und wurde oft als "Charlie Chaplin der Mimen" bezeichnet. Wie sein langjähriger Assistent Emmanuel Vacca am Sonntag im Radiosender France-Info mitteilte, starb Marceau bereits am Samstag.
"Stilles Theater"
Marceau feierte in seiner sechs Jahrzehnte währenden Karriere weltweit Erfolge. Nur mit dem Spiel seines Gesichtsausdrucks und den Gesten seines Körpers vermochte er ganze Stücke aufzuführen: Die Charaktere, die er spielte, schienen greifbar auf der Bühne zu stehen. "Stilles Theater" nannte er das. "Ich wollte das Mimodrama als eigenständige Gattung der Schauspielkunst etablieren", erklärte der Künstler anlässlich eines Auftritts in der Staatsoper unter den Linden in Berlin 2001.
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gründete er die erste Pantomimengruppe Europas. Im Alleingang belebte er diese Kunstform wieder: "Ich habe das Gefühl, dass ich für die Pantomime das getan habe, was (Andres) Segovia für die Gitarre und was (Pablo) Casals für das Cello getan hat", sagte er in einem seiner letzten Interviews.
Paraderolle als Clown Bip
Mit dem von ihm geschaffenen Clown Bip schlüpfte er in alle denkbaren Rollen: er war Staatsanwalt, Richter, Schmetterlingsfänger oder auch Vermittler einer Heiratsagentur. Marceau beschrieb Bip als sein Alter Ego: Ein Clown mit traurigem Gesicht, der die Augen beim Entdecken mit kindlicher Begeisterung weit aufriss. Obwohl Marceau Bip als Nachfolger des Harlekins des 19. Jahrhunderts sah, waren seine clownhaften Gesten eher von Charlie Chaplin inspiriert, wie der Künstler erklärte.
Auch im Rentenalter wollte sich Marceau nicht zur Ruhe setzen, sondern spielte weiter den Clown Bib, als Don Quijote "allein in einer instabilen Welt voller Ungerechtigkeiten und Schönheit". Mit 81 Jahren ging er noch einmal erfolgreich auf Tournee durch sieben Städte in Deutschland und Österreich. Bis dahin brachte er es auf rund 15.000 Vorstellungen in über 90 Ländern. "Das Theater ist überall in der Welt zu weit vom Physischen abgekommen. Sie geben Worte statt Körper. Ich erzähle einfach von den allereinfachsten Dingen: von Liebe, Trauer, Glück, Fröhlichkeit, Alter und Tod. Ich gebe den Leuten im Theater wieder einen Helden - Bip -, in den jeder einzelne sich selbst hineinzudenken vermag. C’est tout!", erklärte Marceau.
"Immer Anti-Nazi, aber nie antideutsch"
Nach seiner ersten Europatournee 1947 gründete er die "Compagnie de Mimes Marcel Marceau", die weltweit insgesamt 26 sogenannte Mimodramen, darunter zum Beispiel "Der Mantel" (nach Gogol), aufführte. 1951 tourte er - trotz Anfeindungen - erstmals durch Deutschland und wurde zum Star der Berliner Festwochen. "Ich war immer Anti-Nazi, aber nie antideutsch", erklärte der Künstler damals in fließendem Deutsch. Marceau wurde am 22. März 1923 als Sohn eines jüdischen Metzgers im elsässischen Straßburg geboren, sein bürgerlicher Name war Marcel Mangel. Nach der Deportation seines Vaters nach Auschwitz 1942 schloss er sich der französischen Résistance an. Marceau stand als Name in dem gefälschen Pass, der ihm während der deutschen Besetzung das Leben rettete.
Nach der Auflösung seiner Pantomimentruppe 1964 setzte er seine glanzvolle Karriere mit Soloauftritten fort. Bis 1967 unternahm er allein zehn Tourneen durch die Bundesrepublik, in der er jedes Mal begeistert empfangen wurde. "Seit 1951 spiele ich auf deutschen Bühnen, hier hatte ich meine größten Erfolge", erklärte er vor dem Auftritt in Berlin 2001. Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt Marceau auch das Bundesverdienstkreuz. Um die Fortsetzung der künstlerischen Pantomime zu sichern, gründete er 1978 in Paris die "Ecole International du Mimodrame Marcel Marceau", in der seither rund 40 Studenten zwei Jahre lang nicht nur in Pantomime, sondern auch in klassischem Tanz, Fechten und Drama ausgebildet werden und dem Meister nacheifern.
Gabe der grenzenlosen Kommunikation
In Frankreich löste die Nachricht von Marceaus Tod Bestürzung aus. Premierminister François Fillon sagte, seine "Geschichten ohne Worte" hätten dem Künstler eine seltene Gabe verliehen: Grenzenlos mit jedermann kommunizieren zu können. "Er war ein mysteriöser Mann", sagte der Journalist und Schriftsteller Jacques Chancel dem Radiosender "France Info". "Er hatte in der Stille das Wort. Er sprach ohne Worte - und es gibt so viele Menschen, die sprechen, ohne etwas zu sagen."