"Spuren eines Lebens" Kunststück mit trüben Tassen

Eine Mutter liegt im Sterben, und die Töchter fragen sich zum ersten Mal, wer sie eigentlich ist. Trotz großartigem Ensemble bleibt das Mehrgenerationendrama "Spuren eines Lebens" fast blutleer und wirkt zuweilen unfreiwillig komisch.

Ann liegt im Sterben und wird von ihren beiden Töchtern Constance und Nina umsorgt. Im Morphiumnebel deliriert die alte Dame von einem gewissen Harris, der den Töchtern jedoch unbekannt ist. So greifen in dem Film "Spuren eines Lebens" zwei Geschichten ineinander. Abwechselnd erzählt das Melodram in Rückblenden von einem traumatischen Ereignis in Anns Vergangenheit - und von der Gegenwart, in der die Töchter mit ihren widersprüchlichen Gefühlen für ihre sterbende Mutter klarkommen müssen.

Das Frauendrama versammelt ein Ensemble, in dem sich hochdekorierte Schauspielerinnen drängen: Vanessa Redgrave spielt die sterbende Ann. Deren Tochter Constance wird von Redgraves Tochter Natasha Richardson verkörpert. Während Constance eine zufriedene Mutter mit wohlhabendem Ehemann und schnuckeliger Villa ist, hadert Tochter Nina - Toni Collette - mit ihrem Dasein und wechselt Jobs so schnell wie Lebenspartner.

Die junge Ann, gespielt von der reizenden Clare Danes, ist eine aufstrebende Sängerin und die Brautjungfer ihrer Freundin Lila. Lila wiederum wird dargestellt von Meryl Streeps Tochter Mamie Gummer - und auch Mutter Streep taucht kurz als alt gewordene Lila auf.

Schuldgefühle ein Leben lang

Anns verdrängtes Wochenend-Drama entfaltet sich in lichten Rückblicken auf sorglose Müßiggänger aus altem Ostküsten-Adel, die in einer Sommervilla am Meer die Hochzeitsparty feiern. Dass Lila statt einer Liebesheirat eine "gute Partie" macht, ist für Lilas Mutter (noch ein großer Name: Glenn Close) kein Thema. Dabei schwärmt Lila seit jeher für den Sohn des Hausmeisters, den jungen Arzt Harris, der zugleich der beste Freund ihres Bruders Buddy ist. Der labile Buddy wiederum liebt Ann, die indes nur Augen hat für Harris. Und als in einer Sommernacht die Hormone rasen, geschieht sich ein Unglück, das Ann lebenslang Schuldgefühle beschert.

Ist Mama an allem schuld? Das Mehrgenerationen-Drama präsentiert eine klassische weibliche Gemengelage: Es geht um Verzeihen und Loslassen, um Töchter, die sich in der Kindheit keinen Reim auf ihre frustrierte Mutter machen konnten und nie nachfragten, was Mama in ihrer Jugend eigentlich getrieben hat. Doch selbst beim schmerzlichen Rückblick auf ein Frauendasein, in dem zwischen Träumen, Kindern und Karriere vieles schief gelaufen ist, bleibt das Taschentuch der Zuschauerin meist stecken.

Die roten Fäden zwischen gestern und heute sind so brüchig, dass sich schwerlich Schlüsse ziehen lassen. Die holprige Inszenierung produziert neben viel Schmalz zwar wie aus Versehen auch ergreifende Augenblicke, doch die Figuren bleiben meist blutleer. Soviel talentierte Frauen zu solch trüben Tassen zu degradieren, ist fast ein Kunststück. Auch fehlt es den Weibsbildern an einem ernstzunehmenden Widerpart: Nie wird klar, warum alle Welt für den selbstbewussten Harris schwärmt, der gut aussieht, aber die Ausstrahlung einer Topfpflanze hat.

So wird Redgraves hingeröcheltes «Harris!» fast zum unfreiwillig komischen Running Gag. Und wie so oft bei missglückten Frauenepen wird fehlende Wahrhaftigkeit und der Mangel an Leidenschaft durch eine Leidenschaft fürs Dekor ersetzt. Die besagten schnuckeligen Villen, deren Designer sich im noblen Country-Stil austoben durften, fesseln die Aufmerksamkeit oft mehr als das Unglück ihrer Bewohnerinnen.

Von Birgit Roschy

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